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(Brief von Ernst Bloch vom August 1961
an den Präsidenten der Akademie der Wissenschaften in Ost-Berlin:)
Sehr geehrter Herr Präsident,
seit Mai 1949, nach meiner Rückkehr aus
der Emigration in Amerika, lebte ich, nachdem ich eine Berufung auf den
Leipziger Lehrstuhl für Philosophie angenommen hatte, in dem Staat, der sich
nachher als Deutsche Demokratische Republik bezeichnete.
In dn ersten Jahren meiner
Universitätstätigkeit erfreute ich mich ungehindert der Freiheit des Wortes,
der Schrift und der Lehre. In den letzten Jahren hat sich diese Situation
zunehmend geändert. Ich wurde in Isolierung getrieben, hatte keine Möglichkeit
zu lehren, der Kontakt mit Studenten wurde unterbrochen, meine besten Schüler
wurden verfolgt, bestraft, die Möglichkeit für publizistisches Wirken wurde
unterbunden¸ich konnte in keiner Zeitschrift veröffentlichen, und der
Aufbau-Verlag in Berlin kam seiner vertraglichen Verpflichtung meinen Werken
gegenüber nicht nach. So entstand die Tendenz, mich in Schweigen zu begraben.
Demgegenüber gaben mir seit geraumer
Zeit Universitäten, Zeitschriften und mein Verlag in Westdeutschland
Gelegenheit zu lehren, zu publizieren und meine bisherigen Arbeiten ungestört
fortzusetzen.
Nach den Ereignissen vom 13. August, die
erwarten lassen, dass für selbständig Denkende überhaupt kein Lebens- und
Wirkungsraum mehr bleibt, bin ich nicht mehr gewillt, meine Arbeit und mich
selber unwürdigen Verhältnissen und der Bedrohung, die sie allein
aufrechterhalten¸auszusetzen. Mit meinen 76 Jahren habe ich mich entschieden,
nicht nach Leipzig zurückzukehren.
Ich muss Ihnen deshalb, sehr verehrter
Herr Präsident, mitteilen, dass ich bei künftigen Sitzungen der Deutschen
Akademie der Wissenschaften, deren ordentliches Mitglied ich bin, zu meinem
wahren Bedauern nicht mehr anwesend sein kann.
In besonderer
Wertschätzung sehr ergeben
Ernst Bloch
(in: Geschichte in Quellen - Die Welt seit
1945 -, bearbeitet von Helmut Krause und Karlheinz Reif, Bayerischer
Schulbuch-Verlag, München 1980, S. 320)
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