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Herr Chamberlain, mit welchem ich heute zusammentraf, setzte mir in ausführlicher
ganz vertraulicher Unterhaltung auseinander, daß die politische
Situation jetzt eine Wendung genommen habe, welche England nicht länger
gestatte, die bisherige traditionelle Politik der Isolierung
aufrechtzuerhalten. Die englische Regierung stehe vor der Notwendigkeit,
demnächst weittragende Ent
schlüsse zu fassen, und würde jetzt
auf die Zustimmung der öffentlichen Meinung rechnen können, wenn sie
die Isolierungspolitik aufgebe und sich nach Allianzen umsehe, die ihr
die auch von ihr gewünschte Aufrechterhaltung des Friedens erleichtern
würde. Die Situation sei nicht nur wegen der chinesischen Frage, bezüglich
deren die englische Regierung die in der Kammer für künftigen Dienstag
in Aussicht gestellten Entschlüsse in kürzester Frist fassen müsse,
eine kritische, sondern es seien auch mit Frankreich wegen Westafrika
ernstliche Verwickelungen zu befürchten ...
Der Minister kam dann auf die
Beziehungen zwischen England und Deutschland, rekapitulierte kurz die Gründe,
welche zu der bisherigen Entfremdung geführt haben, und bemerkte schließlich,
daß beide Länder nach seiner Meinung dieselben politischen Interessen
hätten, und daß etwa vorhandene kleine koloniale Differenzen sich
ausgleichen ließen, wenn man gleichzeitig zu einer Verständigung
über die großen politischen Interessen gelangen könnte. Er fügte
hinzu, daß man hier die Besetzung von Kiautschou nur deshalb ungern
gesehen habe, weil sich voraussehen ließ, daß Rußland und Frankreich
in größerem Maßstabe folgen, und daß dadurch ernste Schwierigkeiten
entstehen würden. Im übrigen erkenne er vollständig an, daß unser
Vorgehen dort keine englischen Interessen bedrohe. Wenn die
freundschaftlichen Beziehungen zwischen England und Deutschland
hergestellt würden und sich daran eine politische Verständigung knüpfe,
wie er sie im Auge habe, würde England uns in China nicht nur keine
Opposition machen, sondern uns dort mit seiner ganzen Macht unterstützen.
In dieser ganzen Unterhaltung äußerte
sich Chamberlain ruhig und bestimmt und legte mit großer Offenheit den
Wunsch nach einer bindenden Abmachung zwischen England und dem Dreibund
an den Tag. Er wiederholte dabei mehrmals, daß in der Sache keine Zeit
zu verlieren sei, da man sich hier in den nächsten Tagen entscheiden müsse. |