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Inhalt:
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen
etc. verordnen hiermit im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter
Zustimmung des Bundesrates und des Reichstages, was folgt:
§ 1 An die Stelle der zwischen dem Norddeutschen
Bunde und den Großherzogtümern Baden und Hessen vereinbarten
Verfassung des Deutschen Bundes (Bundesgesetzbl. vom Jahre 1870. S.
627ff.), sowie der mit den Königreichen Bayern und Württemberg über
den Beitritt zu dieser Verfassung geschlossenen Verträge vom 23. und
25. November 1870. (Bundesgesetzbl. vom Jahre 1871. S. 9ff. und vom
Jahre 1870. S. 654ff.) tritt die beigefügte
Verfassungs-Urkunde für das Deutsche Reich.
§ 2 Die Bestimmungen in Artikel 80 der in § 1
gedachten Verfassung des Deutschen Bundes (Bundesgesetzbl. vom Jahre
1870. S. 647), unter III. § 8 des Vertrages mit Bayern vom 23. November
1870. (Bundesgesetzbl. vom Jahre 1871. S. 21ff.), in Artikel 2. Nr. 6.
des Vertrages mit Württemberg vom 25. November 1870. (Bundesgesetzbl.
vom Jahre 1870. S. 656), über die Einführung der im Norddeutschen
Bunde ergangenen Gesetze in diesen Staaten bleiben in Kraft.
Die dort bezeichneten Gesetze sind Reichsgesetze. Wo in denselben von
dem Norddeutschen Bunde, dessen Verfassung, Gebiet, Mitgliedern oder
Staaten, Indigenat, verfassungsmäßigen Organen, Angehörigen, Beamten,
Flagge u.s.w. die Rede ist, sind das Deutsche Reich und dessen
entsprechende Beziehungen zu verstehen.
Dasselbe gilt von denjenigen im Norddeutschen Bunde ergangenen Gesetzen,
welche in der Folge in einem der genannten Staaten eingeführt werden.
§ 3 Die Vereinbarungen in dem zu Versailles am 15. November 1870.
aufgenommenen Protokolle (Bundesgesetzbl. vom Jahre 1870. S. 650ff.), in
der Verhandlung zu Berlin vom 25. November 1870. (Bundesgesetzbl. vom
Jahre 1870. S. 657), dem Schlussprotokolle vom 23. November 1870. (Bundesgesetzbl.
vom Jahre 1871. S. 23ff.), sowie unter IV. des Vertrages mit Bayern vom
23. November 1870. (aaO. S. 25ff.) werden durch dieses Gesetz nicht
berührt.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen
Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Berlin, den 16. April 1871.
Wilhelm
Fürst v. Bismarck
Verfassung des Deutschen Reichs
Seine Majestät der König von Preußen im Namen des Norddeutschen
Bundes, Seine Majestät der König von Bayern, Seine Majestät der
König von Württemberg, Seine Königliche Hoheit der Großherzog von
Baden und Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen und bei
Rhein für die südlich vom Main belegenen Theile des Großherzogthums
Hessen, schließen einen ewigen Bund zum Schutze des Bundesgebietes und
des innerhalb desselben gültigen Rechtes, sowie zur Pflege der
Wohlfahrt des Deutschen Volkes. Dieser Bund wird den Namen Deutsches
Reich führen und wird nachstehende Verfassung haben.
Art. 1
Das Bundesgebiet besteht aus den Staaten Preußen mit Lauenburg, Bayern,
Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Mecklenburg-Schwerin,
Sachsen-Weimar, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Braunschweig,
Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Koburg-Gotha, Anhalt,
Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Waldeck, Reuß
älterer Linie, Reuß jüngerer Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe, Lübeck,
Bremen und Hamburg.
Art. 2
Innerhalb dieses Bundesgebietes übt das Reich das Recht der
Gesetzgebung nach Maßgabe des Inhalts dieser Verfassung und mit der
Wirkung aus, dass die Reichsgesetze den Landesgesetzen vorgehen. Die
Reichsgesetze erhalten ihre verbindliche Kraft durch ihre Verkündigung
von Reichswegen, welche vermittelst eines Reichsgesetzblattes geschieht.
Sofern nicht in dem publizierten Gesetze ein anderer Anfangstermin
seiner verbindlichen Kraft bestimmt ist, beginnt die letztere mit dem
vierzehnten Tage nach dem Ablauf desjenigen Tages, an welchem das
betreffende Stück des Reichsgesetzblattes in Berlin ausgegeben worden
ist.
Art. 3
ür ganz Deutschland besteht ein gemeinsames Indigenat mit der Wirkung,
dass der Angehörige (Untertan, Staatsbürger) eines jeden Bundesstaates
in jedem anderen Bundesstaate als Inländer zu behandeln und demgemäß
zum festen Wohnsitz, zum Gewerbebetriebe, zu öffentlichen Ämtern, zur
Erwerbung von Grundstücken, zur Erlangung des Staatsbürgerrechtes und
zum Genusse aller sonstigen bürgerlichen Rechte unter denselben
Voraussetzungen wie der Einheimische zuzulassen, auch in Betreff der
Rechtsverfolgung und des Rechtsschutzes demselben gleich zu behandeln
ist.
Kein Deutscher darf in der Ausübung dieser Befugnis durch die Obrigkeit
seiner Heimat, oder durch die Obrigkeit eines anderen Bundesstaates
beschränkt werden.
Diejenigen Bestimmungen, welche die Armenversorgung und die Aufnahme in
den lokalen Gemeindeverband betreffen, werden durch den im ersten Absatz
ausgesprochenen Grundsatz nicht berührt.
Ebenso bleiben bis auf Weiteres die Verträge in Kraft, welche zwischen
den einzelnen Bundesstaaten in Beziehung auf die Übernahme von
Auszuweisenden, die Verpflegung erkrankter und die Beerdigung
verstorbener Staatsangehörigen bestehen.
Hinsichtlich der Erfüllung der Militairpflicht im Verhältnis zu dem
Heimathslande wird im Wege der Reichsgesetzgebung das Nötige geordnet
werden.
Dem Auslande gegenüber haben alle Deutschen gleichmäßig Anspruch auf
den Schutz des Reichs.
Art. 4
Der Beaufsichtigung Seitens des Reichs und der Gesetzgebung desselben
unterliegen die nachstehenden Angelegenheiten:
1. die Bestimmungen über Freizügigkeit, Heimat- und
Niederlassungs-Verhältnisse, Staatsbürgerrecht, Passwesen und
Fremdenpolizei und über den Gewerbebetrieb, einschließlich des
Versicherungswesens, soweit die Gegenstände nicht schon durch den
Artikel 3. dieser Verfassung erledigt sind, in Bayern jedoch mit
Ausschluss der Heimat- und Niederlassungs-Verhältnisse, desgleichen
über die Kolonisation und die Auswanderung nach außerdeutschen
Ländern;
2. die Zoll- und Handelsgesetzgebung und die für die Zwecke des Reichs
zu verwendenden Steuern;
3. die Ordnung des Maß-, Münz- und Gewichtssystems, nebst Feststellung
der Grundsätze über die Emission von fundiertem und unfundiertem
Papiergelde;
4. die allgemeinen Bestimmungen über das Bankwesen;
5. die Erfindungspatente;
6. der Schutz des geistigen Eigentums;
7. Organisation eines gemeinsamen Schutzes des Deutschen Handels im
Auslande, der Deutschen Schifffahrt und ihrer Flagge zur See und
Anordnung gemeinsamer konsularischer Vertretung, welche vom Reiche
ausgestattet wird;
8. das Eisenbahnwesen, in Bayern vorbehaltlich der Bestimmung im Artikel
46., und die Herstellung von Land- und Wasserstraßen im Interesse der
Landesverteidigung und des allgemeinen Verkehrs;
9. der Flößerei- und Schifffahrtsbetrieb auf den mehreren Staaten
gemeinsamen Wasserstraßen und der Zustand der letzteren, sowie die
Fluss- und sonstigen Wasserzölle;
10. das Post- und Telegraphenwesen, jedoch in Bayern und Württemberg
nur nach Maßgabe der Bestimmung im Artikel 52.;
11. Bestimmungen über die wechselseitige Vollstreckung von
Erkenntnissen in Civilsachen und Erledigung von Requisitionen
überhaupt;
12. sowie über die Beglaubigung von öffentlichen Urkunden;
13. die gemeinsame Gesetzgebung über das Obligationenrecht, Strafrecht,
Handels- und Wechselrecht und das gerichtliche Verfahren;
14. das Militärwesen des Reichs und die Kriegsmarine;
15. Maßregeln der Medizinal- und Veterinärpolizei;
16. die Bestimmungen über die Presse und das Vereinswesen.
Art. 5
Die Reichsgesetzgebung wird ausgeübt durch den Bundesrath und den
Reichstag. Die Übereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse beider
Versammlungen ist zu einem Reichsgesetze erforderlich und ausreichend.
Bei Gesetzesvorschlägen über das Militairwesen, die Kriegsmarine und
die im Artikel 35. bezeichneten Abgaben gibt, wenn im Bundesrate eine
Meinungsverschiedenheit stattfindet, die Stimme des Präsidiums den
Ausschlag, wenn sie sich für die Aufrechthaltung der bestehenden
Einrichtungen ausspricht.
Art. 6
Der Bundesrath besteht aus den Vertretern der Mitglieder des Bundes,
unter welchen die Stimmführung sich in der Weise verteilt, dass
Preußen mit den ehemaligen Stimmen von Hannover, Kurhessen, Holstein,
Nassau und Frankfurt 17 Stimmen führt,
Bayern 6
Sachsen 4
Württemberg 4
Baden 3
Hessen 3
Mecklenburg-Schwerin 2
Sachsen-Weimar 1
Mecklenburg-Strelitz 5
Oldenburg 1
Braunschweig 2
Sachsen-Meiningen 1
Sachsen-Altenburg 1
Sachsen-Koburg-Gotha 1
Anhalt 1
Schwarzburg-Rudolstadt 1
Schwarzburg-Sondershausen 1
Waldeck 1
Reuß älterer Linie 1
Reuß jüngerer Linie 1
Schaumburg-Lippe 1
Lippe 1
Lübeck 1
Bremen 1
Hamburg 1
zusammen 58 Stimmen
Jedes Mitglied des Bundes kann so viel Bevollmächtigte zum Bundesrate
ernennen, wie es Stimmen hat, doch kann die Gesamtheit der zuständigen
Stimmen nur einheitlich abgegeben werden.
Art. 7
Der Bundesrat beschließt:
1. über die dem Reichstage zu machenden Vorlagen und die von demselben
gefassten Beschlüsse;
2. über die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen
allgemeinen Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen, sofern nicht
durch Reichsgesetz etwas Anderes bestimmt ist;
3. über Mängel, welche bei der Ausführung der Reichsgesetze oder der
vorstehend erwähnten Vorschriften oder Einrichtungen hervortreten.
Jedes Bundesglied ist befugt, Vorschläge zu machen und in Vortrag zu
bringen, und das Präsidium ist verpflichtet, dieselben der Berathung zu
übergeben.
Die Beschlussfassung erfolgt, vorbehaltlich der Bestimmungen in den
Artikeln 5, 37, und 78, mit einfacher Mehrheit. Nicht vertretene oder
nicht instruirte Stimmen werden nicht gezählt. Bei Stimmengleichheit
gibt die Präsidialstimme den Ausschlag.
Bei der Beschlussfassung über eine Angelegenheit, welche nach den
Bestimmungen dieser Verfassung nicht dem ganzen Reiche gemeinschaftlich
ist, werden die Stimmen nur derjenigen Bundesstaaten gezählt, welchen
die Angelegenheit gemeinschaftlich ist.
Art. 8
Der Bundesrat bildet aus seiner Mitte dauernde Ausschüsse
1. für das Landheer und die Festungen;
2. für das Seewesen;
3. für Zoll- und Steuerwesen;
4. für Handel und Verkehr;
5. für Eisenbahnen, Post und Telegraphen;
6. für Justizwesen;
7. für Rechnungswesen.
In jedem dieser Ausschüsse werden außer dem Präsidium mindestens vier
Bundesstaaten vertreten sein, und führt innerhalb derselben jeder Staat
nur Eine Stimme. In dem Ausschuss für das Landheer und die Festungen
hat Bayern einen ständigen Sitz, die übrigen Mitglieder desselben,
sowie die Mitglieder des Ausschusses für das Seewesen werden vom Kaiser
ernannt; die Mitglieder der anderen Ausschüsse werden von dem
Bundesrate gewählt. Die Zusammensetzung dieser Ausschüsse ist für
jede Session des Bundesrates respektive mit jedem Jahre zu erneuern,
wobei die ausscheidenden Mitglieder wieder wählbar sind.
Außerdem wird im Bundesrate aus den Bevollmächtigten der Königreiche
Bayern, Sachsen und Württemberg und zwei, vom Bundesrate alljährlich
zu wählenden Bevollmächtigten anderer Bundesstaaten ein Ausschuss für
die auswärtigen Angelegenheiten gebildet, in welchem Bayern den Vorsitz
führt.
Den Ausschüssen werden die zu ihren Arbeiten nötigen Beamten zur
Verfügung gestellt.
Art. 9
Jedes Mitglied des Bundesrates hat das Recht, im Reichstage zu
erscheinen und muss daselbst auf Verlangen jederzeit gehört werden, um
die Ansichten seiner Regierung zu vertreten, auch dann, wenn dieselben
von der Majorität des Bundesrates nicht adoptiert worden sind. Niemand
kann gleichzeitig Mitglied des Bundesrates und des Reichstages sein.
Art. 10
Dem Kaiser liegt es ob, den Mitgliedern des Bundesrates den üblichen
diplomatischen Schutz zu gewähren.
Art. 11
Das Präsidium des Bundes steht dem Könige von Preußen zu, welcher den
Namen Deutscher Kaiser führt. Der Kaiser hat das Reich völkerrechtlich
zu vertreten, im Namen des Reichs Krieg zu erklären und Frieden zu
schließen, Bündnisse und andere Verträge mit fremden Staaten
einzugehen, Gesandte zu beglaubigen und zu empfangen.
Zur Erklärung des Krieges im Namen des Reichs ist die Zustimmung des
Bundesrates erforderlich, es sei denn, dass ein Angriff auf das
Bundesgebiet oder dessen Küsten erfolgt.
Insoweit die Verträge mit fremden Staaten sich auf solche Gegenstände
beziehen, welche nach Artikel 4 in den Bereich der Reichsgesetzgebung
gehören, ist zu ihrem Abschluss die Zustimmung des Bundesrates und zu
ihrer Gültigkeit die Genehmigung des Reichstages erforderlich.
Art. 12
Dem Kaiser steht es zu, den Bundesrats und den Reichstag zu berufen zu
eröffnen, zu vertagen und zu schließen.
Art. 13
Die Berufung des Bundesrates und des Reichstages findet alljährlich
statt und kann der Bundesrats zur Vorbereitung der Arbeiten ohne den
Reichstag, letzterer aber nicht ohne den Bundesrats berufen werden.
Art. 14
Die Berufung des Bundesrates muss erfolgen, sobald sie von einem Drittel
der Stimmenzahl verlangt wird.
Art. 15
Der Vorsitz im Bundesrathe und die Leitung der Geschäfte steht dem
Reichskanzler zu, welcher vom Kaiser zu ernennen ist.
Der Reichskanzler kann sich durch jedes andere Mitglied des Bundesrates
vermöge schriftlicher Substitution vertreten lassen.
Art. 16
Die erforderlichen Vorlagen werden nach Maßgabe der Beschlüsse des
Bundesrates im Namen des Kaisers an den Reichstag gebracht, wo sie durch
Mitglieder des Bundesrates oder durch besondere von letzterem zu
ernennende Kommissarien vertreten werden.
Art. 17
Dem Kaiser steht die Ausfertigung und Verkündigung der Reichsgesetze
und die Überwachung der Ausführung derselben zu. Die Anordnungen und
Verfügungen des Kaisers werden im Namen des Reichs erlassen und
bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Reichskanzlers,
welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt.
Art. 18
Der Kaiser ernennt die Reichsbeamten, lässt dieselben für das Reich
vereidigen und verfügt erforderlichen Falles deren Entlassung.
Den zu einem Reichsamte berufenen Beamten eines Bundesstaates stehen,
sofern nicht vor ihrem Eintritt in den Reichsdienst im Wege der
Reichsgesetzgebung etwas Anderes bestimmt ist, dem Reiche gegenüber
diejenigen Rechte zu, welche ihnen in ihrem Heimatlande aus ihrer
dienstlichen Stellung zugestanden hatten.
Art. 19
Wenn Bundesglieder ihre verfassungsmäßigen Bundespflichten nicht
erfüllen, können sie dazu im Wege der Exekution angehalten werden.
Diese Exekution ist vom Bundesrate zu beschließen und vom Kaiser zu
vollstrecken.
Art. 20
Der Reichstag geht aus allgemeinen und direkten Wahlen mit geheimer
Abstimmung hervor.
Bis zu der gesetzlichen Regelung, welche im § 5 des Wahlgesetzes vom
31. Mai 1869. (Bundesgesetzbl. 1869. S. 145.) vorbehalten ist, werden in
Bayern 48, in Württemberg 17, in Baden 14, in Hessen südlich des Main
6 Abgeordnete gewählt, und beträgt demnach die Gesamtzahl der
Abgeordneten 382.
Art. 21 Beamte bedürfen keines Urlaubs zum
Eintritt in den Reichstag.
Wenn ein Mitglied des Reichstages ein besoldetes Reichsamt oder in einem
Bundesstaat ein besoldetes Staatsamt annimmt oder im Reichs- oder
Staatsdienste in ein Amt eintritt, mit welchem ein höherer Rang oder
ein höheres Gehalt verbunden ist, so verliert es Sitz und Stimme in dem
Reichstag und kann seine Stelle in demselben nur durch neue Wahl wieder
erlangen.
Art. 22 Die Verhandlungen des Reichstages sind öffentlich.
Wahrheitsgetreue Berichte über Verhandlungen in den öffentlichen
Sitzungen des Reichstages bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei.
Art. 23 Der Reichstag hat das Recht, innerhalb der Kompetenz des
Reichs Gesetze vorzuschlagen und an ihn gerichtete Petitionen dem
Bundesrathe resp. Reichskanzler zu überweisen.
Art. 24
Die Legislaturperiode des Reichstages dauert drei Jahre. Zur Auflösung
des Reichstages während derselben ist ein Beschluss des Bundesrates
unter Zustimmung des Kaisers erforderlich.
Art. 25
Im Falle der Auflösung des Reichstages müssen innerhalb eines
Zeitraumes von 60 Tagen nach derselben die Wähler und innerhalb eines
Zeitraumes von 90 Tagen nach der Auflösung der Reichstag versammelt
werden.
Art. 26
Ohne Zustimmung des Reichstages darf die Vertagung desselben die Frist
von 30 Tagen nicht übersteigen und während derselben Session nicht
wiederholt werden.
Art. 27
Der Reichstag prüft die Legitimation seiner Mitglieder und entscheidet
darüber. Er regelt seinen Geschäftsgang und seine Disziplin durch eine
Geschäfts-Ordnung und erwählt seinen Präsidenten, seine
Vizepräsidenten und Schriftführer.
Art. 28
Der Reichstag beschließt nach absoluter Stimmenmehrheit. Zur
Gültigkeit der Beschlußfassung ist die Anwesenheit der Mehrheit der
gesetzlichen Anzahl der Mitglieder erforderlich.
Bei der Beschlußfassung über eine Angelegenheit, welche nach den
Bestimmungen dieser Verfassung nicht dem ganzen Reiche gemeinschaftlich
ist, werden die Stimmen nur derjenigen Mitglieder gezählt, die in
Bundesstaaten gewählt sind, welchen die Angelegenheit gemeinschaftlich
ist.
Art. 29
Die Mitglieder des Reichstages sind Vertreter des gesamten Volkes und an
Aufträge und Instruktionen nicht gebunden.
Art. 30
Kein Mitglied des Reichstages darf zu irgend einer Zeit wegen seiner
Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufes gethanen
Äußerungen gerichtlich oder disziplinarisch verfolgt oder sonst
außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden.
Art. 31
Ohne Genehmigung des Reichstages kann kein Mitglied desselben während
der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur
Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, außer wenn es bei Ausübung
der That oder im Laufe des nächstfolgenden Tages ergriffen wird.
Gleiche Genehmigung ist bei einer Verhaftung wegen Schulden
erforderlich.
Auf Verlangen des Reichstages wird jedes Strafverfahren gegen ein
Mitglied desselben und jede Untersuchungs- oder Civilhaft für die Dauer
der Sitzungsperiode aufgehoben.
Art. 32
Die Mitglieder des Reichstages dürfen als solche keine Besoldung oder
Entschädigung beziehen.
Art. 33
Deutschland bildet ein Zoll- und Handelsgebiet, umgeben von
gemeinschaftlicher Zollgrenze. Ausgeschlossen bleiben die wegen ihrer
Lage zur Einschließung in die Zollgrenze nicht geeigneten einzelnen
Gebietsteile.
Alle Gegenstände, welche im freien Verkehr eines Bundesstaates
befindlich sind, können in jeden anderen Bundesstaat eingeführt und
dürfen in letzterem einer Abgabe nur insoweit unterworfen werden, als
daselbst gleichartige inländische Erzeugnisse einer inneren Steuer
unterliegen.
Art. 34
Die Hansestädte Bremen und Hamburg mit einem dem Zweck entsprechenden
Bezirke ihres oder des umliegenden Gebietes bleiben als Freihäfen
außerhalb der gemeinschaftlichen Zollgrenze, bis sie ihren Einschluss
in dieselbe beantragen.
Art. 35
Das Reich ausschließlich hat die Gesetzgebung über das gesamte
Zollwesen, über die Besteuerung des im Bundesgebiete gewonnenen Salzes
und Tabaks, bereiteten Branntweins und Bieres und aus Rüben oder
anderen inländischen Erzeugnissen dargestellten Zuckers und Syrups,
über den gegenseitigen Schutz der in den einzelnen Bundesstaaten
erhobenen Verbrauchsabgaben gegen Hinterziehungen, sowie über die
Maßregeln, welche in den Zollausschlüssen zur Sicherung der
gemeinsamen Zollgrenze erforderlich sind.
In Bayern, Württemberg und Baden bleibt die Besteuerung des
inländischen Branntweins und Bieres der Landesgesetzgebung vorbehalten.
Die Bundesstaaten werden jedoch ihr Bestreben darauf richten, eine
Übereinstimmung der Gesetzgebung über die Besteuerung auch dieser
Gegenstände herbeizuführen.
Art. 36
Die Erhebung und Verwaltung der Zölle und Verbrauchssteuern (Art. 35)
bleibt jedem Bundesstaate, soweit derselbe sie bisher ausgeübt hat,
innerhalb seines Gebietes überlassen.
Der Kaiser überwacht die Einhaltung des gesetzlichen Verfahrens durch
Reichsbeamte, welche er den Zoll- oder Steuerämtern und den
Direktivbehörden der einzelnen Staaten, nach Vernehmung des Ausschusses
des Bundesrates für Zoll- und Steuerwesen, beiordnet.
Die von diesen Beamten über Mängel bei der Ausführung der
gemeinschaftlichen Gesetzgebung (Art. 35) gemachten Anzeigen werden dem
Bundesrate zur Beschlussnahme vorgelegt.
Art. 37
Bei der Beschlussnahme über die zur Ausführung der gemeinschaftlichen
Gesetzgebung (Art. 35) dienenden Verwaltungsvorschriften und
Einrichtungen gibt die Stimme des Präsidiums alsdann den Ausschlag,
wenn sie sich für Aufrechthaltung der bestehenden Vorschrift oder
Einrichtung ausspricht.
Art. 38
Der Ertrag der Zölle und der anderen in Artikel 35. bezeichneten
Abgaben, letzterer soweit sie der Reichsgesetzgebung unterliegen,
fließt in die Reichskasse.
Dieser Ertrag besteht aus der gesamten von den Zöllen und den übrigen
Abgaben aufgekommenen Einnahme nach Abzug:
1. der auf Gesetzen oder allgemeinen Verwaltungsvorschriften beruhenden
Steuervergütungen und Ermäßigungen,
2. der Rückerstattungen für unrichtige Erhebungen,
3. der Erhebungs- und Verwaltungskosten, und zwar:
a) bei den Zöllen der Kosten, welche an den gegen das Ausland gelegenen
Grenzen und in dem Grenzbezirke für den Schutz und die Erhebung der
Zölle erforderlich sind,
b) bei der Salzsteuer der Kosten, welche zur Besoldung der mit Erhebung
und Kontrollierung dieser Steuer auf den Salzwerken beauftragten Beamten
aufgewendet werden,
c) bei der Rübenzuckersteuer und Tabaksteuer der Vergütung, welche
nach den jeweiligen Beschlüssen des Bundesrates den einzelnen
Bundesregierungen für die Kosten der Verwaltung dieser Steuern zu
gewähren ist,
d) bei den übrigen Steuern mit fünfzehn Prozent der Gesamteinnahme.
Die außerhalb der gemeinschaftlichen Zollgrenze liegenden Gebiete
tragen zu den Ausgaben des Reichs durch Zahlung eines Aversums bei.
Bayern, Württemberg und Baden haben an dem in die Reichskasse
fließenden Ertrage der Steuern von Branntwein und Bier und an dem
diesem Ertrage entsprechenden Teile des vorstehend erwähnten Aversums
keinen Teil.
Art. 39
Die von den Erhebungsbehörden der Bundesstaaten nach Ablauf eines jeden
Vierteljahres auf zustellenden Quartal-Extrakte und die nach dem Jahres-
und Bücherschlusse aufzustellenden Finalabschlüsse über die im Laufe
des Vierteljahres beziehungsweise während des Rechnungsjahres fällig
gewordenen Einnahmen an Zöllen und nach Artikel 38 zur Reichskasse
fließenden Verbrauchsabgaben werden von den Direktivebehörden der
Bundesstaaten, nach vorangegangener Prüfung, in Hauptübersichten
zusammengestellt, in welchen jede Abgabe gesondert nachzuweisen ist, und
es werden diese Übersichten an den Ausschuss des Bundesrates für das
Rechnungswesen eingesandt.
Der letztere stellt auf Grund dieser Übersichten von drei zu drei
Monaten den von der Kasse jedes Bundesstaates der Reichskasse schuldigen
Betrag vorläufig fest und setzt von dieser Feststellung den Bundesrat
und die Bundesstaaten in Kenntnis, legt auch alljährlich die
schließliche Feststellung jener Beträge mit seinen Bemerkungen dem
Bundesrathe vor. Der Bundesrath beschließt über diese Feststellung.
Art. 40
Die Bestimmungen in dem Zollvereinigungsvertrage vom 8.Juli 1867.
bleiben in Kraft, soweit sie nicht durch die Vorschriften dieser
Verfassung abgeändert sind und solange sie nicht auf dem im Artikel 7,
beziehungsweise 78 bezeichneten Wege abgeändert werden.
Art. 41
Eisenbahnen, welche im Interesse der Verteidigung Deutschlands oder im
Interesse des gemeinsamen Verkehrs für notwendig erachtet werden,
können kraft eines Reichsgesetzes auch gegen den Widerspruch der
Bundesglieder, deren Gebiet die Eisenbahnen durchschneiden, unbeschadet
der Landeshoheitsrechte, für Rechnung des Reichs angelegt oder an
Privatunternehmer zur Ausführung konzessioniert und mit dem
Expropriationsrechte ausgestattet werden.
Jede bestehende Eisenbahnverwaltung ist verpflichtet, sich den Anschluss
neu angelegter Eisenbahnen auf Kosten der letzteren gefallen zu lassen.
Die gesetzlichen Bestimmungen, welche bestehenden
Eisenbahn-Unternehmungen ein Widerspruchsrecht gegen die Anlegung von
Parallel- oder Konkurrenzbahnen einräumen, werden, unbeschadet bereits
erworbener Rechte, für das ganze Reich hierdurch aufgehoben. Ein
solches Widerspruchsrecht kann auch in den künftig zu erteilenden
Konzessionen nicht weiter verliehen werden.
Art. 42
Die Bundesregierungen verpflichten sich, die Deutschen Eisenbahnen im
Interesse des allgemeinen Verkehrs wie ein einheitliches Netz verwalten
und zu diesem Behuf auch die neu herzustellenden Bahnen nach
einheitlichen Normen anlegen und ausrüsten zu lassen.
Art. 43
Es sollen dem gemäß in tunlichster Beschleunigung übereinstimmende
Betriebseinrichtungen getroffen, insbesondere gleiche
Bahnpolizei-Reglements eingeführt werden. Das Reich hat dafür Sorge zu
tragen, daß die Eisenbahnverwaltungen die Bahnen jederzeit in einem die
nötige Sicherheit gewährenden baulichen Zustande erhalten und
dieselben mit Betriebsmaterial so ausrüsten, wie das Verkehrsbedürfnis
es erheischt.
Art. 44
Die Eisenbahnverwaltungen sind verpflichtet, die für den durchgehenden
Verkehr und zur Herstellung ineinander greifender Fahrpläne nötigen
Personenzüge mit entsprechender Fahrgeschwindigkeit, desgleichen die
zur Bewältigung des Güterverkehrs nötigen Güterzüge einzuführen,
auch direkte Expeditionen im Personen- und Güterverkehr, unter
Gestattung des Überganges der Transportmittel von einer Bahn auf die
andere, gegen die übliche Vergütung einzurichten.
Art. 45
Dem Reiche steht die Kontrolle über das Tarifwesen zu. Dasselbe wird
namentlich dahin wirken:
1. dass baldigst auf allen Deutschen Eisenbahnen übereinstimmende
Betriebsreglements eingeführt werden;
2. dass die möglichste Gleichmäßigkeit und Herabsetzung der Tarife
erzielt, insbesondere, dass bei größeren Entfernungen für den
Transport von Kohlen, Koks, Holz, Erzen, Steinen, Salz, Roheisen,
Düngungsmitteln und ähnlichen Gegenständen ein dem Bedürfnis der
Landwirtschaft und Industrie entsprechender ermäßigter Tarif, und zwar
zunächst tunlichst der Einpfennig-Tarif eingeführt werde.
Art. 46
Bei eintretenden Notständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Teuerung
der Lebensmittel, sind die Eisenbahnverwaltungen verpflichtet, für den
Transport, namentlich von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten und
Kartoffeln, zeitweise einen dem Bedürfniß entsprechenden, von dem
Kaiser auf Vorschlag des betreffenden Bundesrats-Ausschusses
festzustellenden, niedrigen Spezialtarif einzuführen, welcher jedoch
nicht unter den niedrigsten auf der betreffenden Bahn für Rohprodukte
geltenden Satz herabgehen darf.
Die vorstehend, sowie die in den Artikeln 42. bis 45. getroffenen
Bestimmungen sind auf Bayern nicht anwendbar.
Dem Reiche steht jedoch auch Bayern gegenüber das Recht zu, im Wege der
Gesetzgebung einheitliche Normen für die Konstruktion und Ausrüstung
der für die Landesverteidigung wichtigen Eisenbahnen aufzustellen.
Art. 47
Den Anforderungen der Behörden des Reichs in Betreff der Benutzung der
Eisenbahnen zum Zweck der Verteidigung Deutschlands haben sämtliche
Eisenbahnverwaltungen unweigerlich Folge zu leisten. Insbesondere ist
das Militär und alles Kriegsmaterial zu gleichen ermäßigten Sätzen
zu befördern.
Art. 48
Das Postwesen und das Telegraphenwesen werden für das gesamte Gebiet
des Deutschen Reichs als einheitliche Staatsverkehrs-Anstalten
eingerichtet und verwaltet.
Die im Artikel 4. vorgesehene Gesetzgebung des Reichs in Post- und
Telegraphen-Angelegenheiten erstreckt sich nicht auf diejenigen
Gegenstände, deren Regelung nach den in der Norddeutschen Post- und
Telegraphen-Verwaltung maßgebend gewesenen Grundsätzen der
reglementarischen Festsetzung oder administrativen Anordnung überlassen
ist.
Art. 49
Die Einnahmen des Post- und Telegraphenwesens sind für das ganze Reich
gemeinschaftlich. Die Ausgaben werden aus den gemeinschaftlichen
Einnahmen bestritten. Die Überschüsse fließen in die Reichskasse
(Abschnitt XII.).
Art. 50
Dem Kaiser gehört die obere Leitung der Post- und Telegraphenverwaltung
an. Die von ihm bestellten Behörden haben die Pflicht und das Recht,
dafür zu sorgen, dass Einheit in der Organisation der Verwaltung und im
Betriebe des Dienstes, sowie in der Qualifikation der Beamten
hergestellt und erhalten wird.
Dem Kaiser steht der Erlass der reglementarischen Festsetzungen und
allgemeinen administrativen Anordnungen, sowie die ausschließliche
Wahrnehmung der Beziehungen zu anderen Post- und Telegraphenverwaltungen
zu.
Sämtliche Beamte der Post- und Telegraphenverwaltung sind verpflichtet,
den Kaiserlichen Anordnungen Folge zu leisten. Diese Verpflichtung ist
in den Diensteid aufzunehmen.
Die Anstellung der bei den Verwaltungsbehörden der Post und Telegraphie
in den verschiedenen Bezirken erforderlichen oberen Beamten (z. B. der
Direktoren, Räte, Ober-Inspektoren), ferner die Anstellung der zur
Wahrnehmung des Aufsichts- u. s. w. Dienstes in den einzelnen Bezirken
als Organe der erwähnten Behörden fungierenden Post- und
Telegraphenbeamten (z. B.. Inspektoren, Kontrolleure) geht für das
ganze Gebiet des Deutschen Reichs vom Kaiser aus, welchem diese Beamten
den Diensteid leisten. Den einzelnen Landesregierungen wird von den in
Rede stehenden Ernennungen, soweit dieselben ihre Gebiete betreffen,
Behufs der landesherrlichen Bestätigung und Publikation rechtzeitig
Mitteilung gemacht werden.
Die anderen bei den Verwaltungsbehörden der Post und Telegraphie
erforderlichen Beamten, sowie alle für den lokalen und technischen
Betrieb bestimmten, mithin bei den eigentlichen Betriebsstellen
fungierenden Beamten u. s. w. werden von den betreffenden
Landesregierungen angestellt.
Wo eine selbstständige Landespost- resp. Telegraphenverwaltung nicht
besteht, entscheiden die Bestimmungen der besonderen Verträge.
Art. 51
Bei Überweisung des Überschusses der Postverwaltung für allgemeine
Reichszwecke (Art. 49) soll, in Betracht der bisherigen Verschiedenheit
der von den Landes-Postverwaltungen der einzelnen Gebiete erzielten
Reineinnahmen, zum Zwecke einer entsprechenden Ausgleichung während der
unten festgesetzten Übergangszeit folgendes Verfahren beobachtet
werden.
Aus den Postüberschüssen, welche in den einzelnen Postbezirken
während der fünf Jahre 1861 bis 1865 aufgekommen sind, wird ein
durchschnittlicher Jahresüberschuss berechnet, und der Anteil, welchen
jeder einzelne Postbezirk an dem für das gesamte Gebiet des Reichs sich
darnach herausstellenden Postüberschusse gehabt hat, nach Prozenten
festgestellt.
Nach Maßgabe des auf diese Weise festgestellten Verhältnisses werden
den einzelnen Staaten während der auf ihren Eintritt in die
Reichs-Postverwaltung folgenden acht Jahre die sich für sie aus den im
Reiche aufkommenden Postüberschüssen ergebenden Quoten auf ihre
sonstigen Beiträge zu Reichszwecken zu Gute gerechnet.
Nach Ablauf der acht Jahre hört jene Unterscheidung auf, und fließen
die Postüberschüsse in ungeteilter Aufrechnung nach dem im Artikel 49.
enthaltenen Grundsatz der Reichskasse zu.
Von der während der vorgedachten acht Jahre für die Hansestädte sich
herausstellenden Quote des Postüberschusses wird alljährlich vorweg
die Hälfte dem Kaiser zur Disposition gestellt zu dem Zwecke, daraus
zunächst die Kosten für die Herstellung normaler Posteinrichtungen in
den Hansestädten zu bestreiten.
Art. 52
Die Bestimmungen in den vorstehenden Artikeln 48. bis 55. finden auf
Bayern und Württemberg keine Anwendung. An ihrer Stelle gelten für
beide Bundesstaaten folgende Bestimmungen.
Dem Reiche ausschließlich steht die Gesetzgebung über die Vorrechte
der Post und Telegraphie, über die rechtlichen Verhältnisse beider
Anstalten zum Publikum, über die Portofreiheiten und das Posttaxwesen,
jedoch ausschließlich der reglementarischen und Tarif-Bestimmungen für
den internen Verkehr innerhalb Bayerns, beziehungsweise Württembergs,
sowie, unter gleicher Beschränkung, die Feststellung der Gebühren für
die telegraphische Korrespondenz zu.
Ebenso steht dem Reiche die Regelung des .Post- und Telegraphenverkehrs
mit dem Auslande zu, ausgenommen den eigenen unmittelbaren Verkehr
Bayerns, beziehungsweise Württembergs mit seinen dem Reiche nicht
angehörenden Nachbarstaaten, wegen dessen Regelung es bei der
Bestimmung im Artikel 49. des Postvertrages vom 23. November 1867.
bewendet.
An den zur Reichskasse fließenden Einnahmen des Post- und
Telegraphenwesens haben Bayern und Württemberg keinen Teil.
Art. 53
Die Kriegsmarine des Reichs ist eine einheitliche unter dem Oberbefehl
des Kaisers. Die Organisation und Zusammensetzung derselben liegt dem
Kaiser ob, welcher die Offiziere und Beamten der Marine ernennt, und
für welchen dieselben nebst den Mannschaften eidlich in Pflicht zu
nehmen sind.
Der Kieler Hafen und der Jadehafen sind Reichskriegshäfen.
Der zur Gründung und Erhaltung der Kriegsflotte und der damit
zusammenhängenden Anstalten erforderliche Aufwand wird aus der
Reichskasse bestritten.
Die gesamte seemännische Bevölkerung des Reichs, einschließlich des
Maschinenpersonals und der Schiffshandwerker, ist vom Dienste im
Landheere befreit, dagegen zum Dienste in der Kaiserlichen Marine
verpflichtet.
Die Verteilung des Ersatzbedarfes findet nach Maßgabe der vorhandenen
seemännischen Bevölkerung statt, und die hiernach von jedem Staate
gestellte Quote kommt auf die Gestellung zum Landheere in Abrechnung.
Art. 54
Die Kauffahrtenschiffe aller Bundesstaaten bilden eine einheitliche
Handelsmarine.
Das Reich hat das Verfahren zur Ermittelung der Ladungsfähigkeit der
Seeschiffe zu bestimmen, die Ausstellung der Messbriefe, sowie der
Schiffszertifikate zu regeln und die Bedingungen festzustellen, von
welchen die Erlaubnis zur Führung eines Seeschiffes abhängig ist.
In den Seehäfen und auf allen natürlichen und künstlichen
Wasserstraßen der einzelnen Bundesstaaten werden die Kauffahrtschiffe
sämtlicher Bundesstaaten gleichmäßig zugelassen und behandelt. Die
Abgaben, welche in den Seehäfen von den Seeschiffen oder deren Ladungen
für die Benutzung der Schifffahrtsanstalten erhoben werden, dürfen die
zur Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung dieser Anstalten
erforderlichen Kosten nicht übersteigen.
Auf allen natürlichen Wasserstraßen dürfen Abgaben nur für die
Benutzung besonderer Anstalten, die zur Erleichterung des Verkehrs
bestimmt sind, erhoben werden. Diese Abgaben, sowie die Abgaben für die
Befahrung solcher künstlichen Wasserstraßen, welche Staatseigentum
sind, dürfen die zur Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung der
Anstalten und Anlagen erforderlichen Kosten nicht übersteigen. Auf die
Flößerei finden diese Bestimmungen insoweit Anwendung, als dieselbe
auf schiffbaren Wasserstraßen betrieben wird.
Auf fremde Schiffe oder deren Ladungen andere oder höhere Abgaben zu
legen, als von den Schiffen der Bundesstaaten oder deren Ladungen zu
entrichten sind, steht keinem Einzelstaate, sondern nur dem Reiche zu.
Art. 55
Die Flagge der Kriegs- und Handelsmarine ist schwarz-weiß-rot.
Art. 56
Das gesamte Konsulatwesen des Deutschen Reichs steht unter der Aufsicht
des Kaisers, welcher die Konsuln, nach Vernehmung des Ausschusses des
Bundesrates für Handel und Verkehr, anstellt.
In dem Amtsbezirk der Deutschen Konsuln dürfen neue Landeskonsulate
nicht errichtet werden. Die Deutschen Konsuln üben für die in ihrem
Bezirk nicht vertretenen Bundesstaaten die Funktionen eines
Landeskonsuls aus. Die sämtlichen bestehenden Landeskonsulate werden
aufgehoben, sobald die Organisation der Deutschen Konsulate dergestalt
vollendet ist, dass die Vertretung der Einzelinteressen aller
Bundesstaaten als durch die Deutschen Konsulate gesichert von dem
Bundesrate anerkannt wird.
Art. 57
Jeder Deutsche ist wehrpflichtig und kann sich in Ausübung dieser
Pflicht nicht vertreten lassen.
Art. 58
Die Kosten und Lasten des gesamten Kriegswesens des Reichs sind von
allen Bundesstaaten und ihren Angehörigen gleichmäßig zu tragen, so
dass weder Bevorzugungen, noch Prägravationen einzelner Staaten oder
Klassen grundsätzlich zulässig sind. Wo die gleiche Verteilung der
Lasten sich in natura nicht herstellen lässt, ohne die öffentliche
Wohlfahrt zu schädigen, ist die Ausgleichung nach den Grundsätzen der
Gerechtigkeit im Wege der Gesetzgebung festzustellen.
Art. 59
Jeder wehrfähige Deutsche gehört sieben Jahre lang, in der Regel vom
vollendeten 20. bis zum beginnenden 28. Lebensjahre, dem stehenden Heere
- und zwar die ersten drei Jahre bei den Fahnen, die letzten vier Jahre
in der Reserve - und die folgenden fünf Lebensjahre der Landwehr an. In
denjenigen Bundesstaaten, in denen bisher eine längere als
zwölfjährige Gesamtdienstzeit gesetzlich war, findet die allmähliche
Herabsetzung der Verpflichtung nur in dem Maße statt, als dies die
Rücksicht auf die Kriegsbereitschaft des Reichsheeres zulässt.
In Bezug auf die Auswanderung der Reservisten sollen lediglich
diejenigen Bestimmungen maßgebend sein, welche für die Auswanderung
der Landwehrmänner gelten.
Art. 60
Die Friedens-Präsenzstärke des Deutschen Heeres wird bis zum 31.
Dezember 1871 auf Ein Prozent der Bevölkerung von 1867. normiert, und
wird pro rata derselben von den einzelnen Bundesstaaten gestellt. Für
die spätere Zeit wird die Friedens-Präsenzstärke des Heeres im Wege
der Reichsgesetzgebung festgestellt.
Art. 61
Nach Publikation dieser Verfassung ist in dem ganzen Reiche die gesamte
Preußische Militärgesetzgebung ungesäumt einzuführen, sowohl die
Gesetze selbst, als die zu ihrer Ausführung, Erläuterung oder
Ergänzung erlassenen Reglements, Instruktionen und Reskripte,
namentlich also das Militär-Strafgesetzbuch vom 3. April 1845, die
Militär-Strafgerichtsordnung vom 3. April 1845, die Verordnung über
die Ehrengerichte vom 20.Juli 1843, die Bestimmungen über Aushebung,
Dienstzeit, Servis- und Verpflegungswesen, Einquartierung, Ersatz von
Flurbeschädigungen, Mobilmachung u. s. w. für Krieg und Frieden. Die
Militär-Kirchenordnung ist jedoch ausgeschlossen.
Nach gleichmäßiger Durchführung der Kriegsorganisation des Deutschen
Heeres wird ein umfassendes Reichs-Militärgesetz dem Reichstage und dem
Bundesrate zur verfassungsmäßigen Beschlussfassung vorgelegt werden.
Art. 62
Zur Bestreitung des Aufwandes für das gesamte Deutsche Heer und die zu
demselben gehörigen Einrichtungen sind bis zum 31. Dezember 1871 dem
Kaiser jährlich sovielmal 225 Taler, in Worten zweihundert fünf und
zwanzig Taler, als die Kopfzahl der Friedensstärke des Heeres nach
Artikel 60. beträgt, zur Verfügung zu stellen. Vergl. Abschnitt XII.
Nachdem 31. Dezember 1871. müssen diese Beiträge von den einzelnen
Staaten des Bundes zur Reichskasse fortgezahlt werden. Zur Berechnung
derselben wird die im Artikel 60. interimistisch festgestellte
Friedens-Präsenzstärke so lange festgehalten, bis sie durch ein
Reichsgesetz abgeändert ist.
Die Verausgabung dieser Summe für das gesamte Reichsheer und dessen
Einrichtungen wird durch das Etatgesetz festgestellt.
Bei der Feststellung des Militär-Ausgabe-Etats wird die auf Grundlage
dieser Verfassung gesetzlich feststehende Organisation des Reichsheeres
zu Grunde gelegt.
Art. 63
Die gesamte Landmacht des Reichs wird ein einheitliches Heer bilden,
welches in Krieg und Frieden unter dem Befehle des Kaisers steht.
Die Regimenter etc, führen fortlaufende Nummern durch das ganze
Deutsche Heer. Für die Bekleidung sind die Grundfarben und der Schnitt
der Königlich Preußischen Armee maßgebend. Dem betreffenden
Kontingentsherrn bleibt es überlassen, die äußeren Abzeichen
(Kokarden etc.) zu bestimmen.
Der Kaiser hat die Pflicht und das Recht, dafür Sorge zu tragen, dass
innerhalb des Deutschen Heeres alle Truppenteile vollzählig und
kriegstüchtig vorhanden sind und dass Einheit in der Organisation und
Formation, in Bewaffnung und Kommando, in der Ausbildung der
Mannschaften, sowie in der Qualifikation der Offiziere hergestellt und
erhalten wird. Zu diesem Behuf ist der Kaiser berechtigt, sich jederzeit
durch Inspektionen von der Verfassung der einzelnen Kontingente zu
überzeugen und die Abstellung der dabei vorgefundenen Mängel
anzuordnen.
Der Kaiser bestimmt den Präsenzstand, die Gliederung und Eintheilung
der Kontingente des Reichsheeres, sowie die Organisation der Landwehr,
und hat das Recht, innerhalb des Bundesgebietes die Garnisonen zu
bestimmen, sowie die kriegsbereite Aufstellung eines jeden Theils des
Reichsheeres anzuordnen.
Behufs Erhaltung der unentbehrlichen Einheit in der Administration,
Verpflegung, Bewaffnung und Ausrüstung aller Truppenteile des Deutschen
Heeres sind die bezüglichen künftig ergehenden Anordnungen für die
Preußische Armee den Kommandeuren der übrigen Kontingente, durch den
Artikel 8. Nr. 1 bezeichneten Ausschuss für das Landheer und die
Festungen, zur Nachachtung in geeigneter Weise mitzuteilen.
Art. 64
Alle Deutsche Truppen sind verpflichtet, den Befehlen des Kaisers
unbedingte Folge zu leisten. Diese Verpflichtung ist in den Fahneneid
aufzunehmen.
Der Höchstkommendierende eines Kontingents, sowie alle Offiziere,
welche Truppen mehr als eines Kontingents befehligen, und alle
Festungskommandanten werden von dem Kaiser ernannt. Die von Demselben
ernannten Offiziere leisten Ihm den Fahneneid. Bei Generalen und den
Generalstellungen versehenden Offizieren innerhalb des Kontingents ist
die Ernennung von der jedesmaligen Zustimmung des Kaisers abhängig zu
machen.
Der Kaiser ist berechtigt, Behufs Versetzung mit oder ohne Beförderung
für die von Ihm im Reichsdienste, sei es im Preußischen Heere, oder in
anderen Kontingenten zu besetzenden Stellen aus den Offizieren aller
Kontingente des Reichsheeres zu wählen.
Art. 65
Das Recht, Festungen innerhalb des Bundesgebietes anzulegen, steht dem
Kaiser zu, welcher die Bewilligung der dazu erforderlichen Mittel,
soweit das Ordinarium sie nicht gewährt, nach Abschnitt XII. beantragt.
Art. 66
Wo nicht besondere Konventionen ein Anderes bestimmen, ernennen die
Bundesfürsten, beziehendlich die Senate die Offiziere ihrer
Kontingente, mit der Einschränkung des Artikels 64. Sie sind Chefs
aller ihren Gebieten angehörenden Truppenteile und genießen die damit
verbundenen Ehren. Sie haben namentlich das Recht der Inspizierung zu
jeder Zeit und erhalten, außer den regelmäßigen Rapporten und
Meldungen über vorkommende Veränderungen, Behufs der nötigen
landesherrlichen Publikation, rechtzeitige Mitteilung von den die
betreffenden Truppenteile berührenden Avancements und Ernennungen.
Auch steht ihnen das Recht zu, zu polizeilichen Zwecken nicht bloß ihre
eigenen Truppen zu verwenden, sondern auch alle anderen Truppenteile des
Reichsheeres, welche in ihren Ländergebieten disloziert sind, zu
requirieren.
Art. 67
Ersparnisse an dem Militär-Etat fallen unter keinen Umständen einer
einzelnen Regierung, sondern jederzeit der Reichskasse zu.
Art. 68
Der Kaiser kann, wenn die öffentliche Sicherheit in dem Bundesgebiete
bedroht ist, einen jeden Theil desselben in Kriegszustand erklären. Bis
zum Erlaß eines die Voraussetzungen, die Form der Verkündigung und die
Wirkungen einer solchen Erklärung regelnden Reichsgesetzes gelten
dafür die Vorschriften des Preußischen Gesetzes vom 4. Juni 1851
(Gesetz.Samml. für 1851 S. 451ff.).
Schlußbestimmung zum XI. Abschnitt
Die in diesem Abschnitt enthaltenen Vorschriften kommen in Bayern
nach näherer Bestimmung des Bündnisvertrages vom 23. November 1870.
(Bundesgesetzbl. 1871. S. 9.) unter III. § 5, in Württemberg nach
näherer Bestimmung der Militärkonvention vom 21./25. November 1870.
(Bundesgesetzbl. 1870. S. 658.) zur Anwendung.
Art. 69 Alle Einnahmen und Ausgaben des Reichs müssen für jedes Jahr
veranschlagt und auf den Reichshaushalts-Etat gebracht werden. Letzterer
wird vor Beginn des Etatjahres nach folgenden Grundsätzen durch ein
Gesetz festgestellt.
Art. 70
Zur Bestreitung aller gemeinschaftlichen Ausgaben dienen zunächst die
etwaigen Überschüsse der Vorjahre, sowie die aus den Zöllen, den
gemeinschaftlichen Verbrauchssteuern und aus dem Post- und
Telegraphenwesen fließenden gemeinschaftlichen Einnahmen. Insoweit
dieselben durch diese Einnahmen nicht gedeckt werden, sind sie, solange
Reichssteuern nicht eingeführt sind, durch Beiträge der einzelnen
Bundesstaaten nach Maßgabe ihrer Bevölkerung aufzubringen, welche bis
zur Höhe des budgetmäßigen Betrages durch den Reichskanzler
ausgeschrieben werden.
Art. 71
Die gemeinschaftlichen Ausgaben werden in der Regel für ein Jahr
bewilligt, können jedoch in besonderen Fällen auch für eine längere
Dauer bewilligt werden.
Während der im Artikel 60 normierten Übergangszeit ist der nach Titeln
geordnete Etat über die Ausgaben für das Heer dem Bundesrahe und dem
Reichstage nur zur Kenntnisnahme und zur Erinnerung vorzulegen.
Art. 72
Über die Verwendung aller Einnahmen des Reichs ist durch den
Reichskanzler dem Bundesrate und dem Reichstage zur Entlastung jährlich
Rechnung zu legen.
Art. 73
In Fällen eines außerordentlichen Bedürfnisses kann im Wege der
Reichsgesetzgebung die Aufnahme einer Anleihe, sowie die Übernahme
einer Garantie zu Lasten des Reichs erfolgen.
Schlussbestimmung zum XII. Abschnitt
Auf die Ausgaben für das Bayerische Heer finden die Artikel 69 und 71
nur nach Maßgabe der in der Schlussbestimmung zum XI. Abschnitt
erwähnten Bestimmungen des Vertrages vom 23. November 1870. und der
Artikel 72. nur insoweit Anwendung, als dem Bundesrate und dem
Reichstage die Überweisung der für das Bayerische Heer erforderlichen
Summe an Bayern nachzuweisen ist.
Art. 74
Jedes Unternehmen gegen die Existenz, die Integrität, die Sicherheit
oder die Verfassung des Deutschen Reichs, endlich die Beleidigung des
Bundesrates, des Reichstages, eines Mitgliedes des Bundesrates oder des
Reichstages, einer Behörde oder eines öffentlichen Beamten des Reichs,
während dieselben in der Ausübung ihres Berufes begriffen sind oder in
Beziehung auf ihren Beruf, durch Wort, Schrift, Druck, Zeichen,
bildliche oder andere Darstellung, werden in den einzelnen Bundesstaaten
beurteilt und bestraft nach Maßgabe der in den letzteren bestehenden
oder künftig in Wirksamkeit tretenden Gesetze, nach welchen eine
gleiche gegen den einzelnen Bundesstaat, seine Verfassung, seine Kammern
oder Stände, seine Kammer- oder Ständemitglieder, seine Behörden und
Beamten begangene Handlung zu richten wäre.
Art. 75
Für diejenigen in Artikel 74 bezeichneten Unternehmungen gegen das
Deutsche Reich, welche, wenn gegen einen der einzelnen Bundesstaaten
gerichtet, als Hochverrats oder Landesverrats zu qualifizieren wären,
ist das gemeinschaftliche Ober-Appellationsgericht der drei freien und
Hansestädte in Lübeck die zuständige Spruchbehörde in erster und
letzter Instanz.
Die näheren Bestimmungen über die Zuständigkeit und das Verfahren des
Ober-Appellationsgerichts erfolgen im Wege der Reichsgesetzgebung. Bis
zum Erlasse eines Reichsgesetzes bewendet es bei der seitherigen
Zuständigkeit der Gerichte in den einzelnen Bundesstaaten und den auf
das Verfahren dieser Gerichte sich beziehenden Bestimmungen.
Art. 76
Streitigkeiten zwischen verschiedenen Bundesstaaten, sofern dieselben
nicht privatrechtlicher Natur und daher von den kompetenten
Gerichtsbehörden zu entscheiden sind, werden auf Anrufen des einen
Teils von dem Bundesrate erledigt.
Verfassungsstreitigkeiten in solchen Bundesstaaten, in deren Verfassung
nicht eine Behörde zur Entscheidung solcher Streitigkeiten bestimmt
ist, hat auf Anrufen eines Teiles der Bundesrat gütlich auszugleichen
oder, wenn das nicht gelingt, im Wege der Reichsgesetzgebung zur
Erledigung zu bringen.
Art. 77
Wenn in einem Bundesstaate der Fall einer Justizverweigerung eintritt,
und auf gesetzlichen Wegen ausreichende Hülfe nicht erlangt werden
kann, so liegt dem Bundesrate ob, erwiesene, nach der Verfassung und den
bestehenden Gesetzen des betreffenden Bundesstaates zu beurteilende
Beschwerden über verweigerte oder gehemmte Rechtspflege anzunehmen, und
darauf die gerichtliche Hülfe bei der Bundesregierung, die zu der
Beschwerde Anlass gegeben hat, zu bewirken.
Art. 78
Veränderungen der Verfassung erfolgen im Wege der Gesetzgebung. Sie
gelten als abgelehnt, wenn sie im Bundesrate 14 Stimmen gegen sich
haben.
Diejenigen Vorschriften der Reichsverfassung, durch welche bestimmte
Rechte einzelner Bundesstaaten in deren Verhältnis zur Gesamtheit
festgestellt sind, können nur mit Zustimmung des berechtigten
Bundesstaates abgeändert werden.
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