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Gliederung
Maximilian Joseph, von Gottes Gnaden König von
Bayern. Von den hohen Regentenpflichten durchdrungen und geleitet, haben
Wir Unsere bisherige Regierung mit solchen Einrichtungen bezeichnet,
welche Unser fortgesetztes Bestreben, das Gesamtwohl Unserer Untertanen
zu befördern, beurkunden. Zur festern Begründung desselben gaben Wir
schon im Jahre 1808 Unserem Reiche eine seinen damaligen äußern und
innern Verhältnissen angemessene Verfassung, in welche Wir schon die
Einführung einer ständischen Versammlung, als eines wesentlichen
Bestandteiles, aufgenommen haben. Kaum hatten die großen, seit jener
Zeit eingetretenen Weltbegebenheiten, von welchen kein deutscher Staat
unberührt geblieben ist, und während welcher das Volk von Bayern
gleich groß im erlittenen Drucke wie im bestandenen Kampfe sich gezeigt
hat, in der Akte des Wiener Kongresses ihr Ziel gefunden, als Wir
sogleich das nur durch die Ereignisse der Zeit unterbrochene Werk, mit
unverrücktem Blicke auf die allgemeinen und besondern Forderungen des
Staatszweckes zu vollenden suchten, die im Jahre 1814 dafür
angeordneten Vorarbeiten und das Dekret vom 2. Februar 1817 bestätigen
Unsern hierüber schon früher gefassten festen Entschluss. Die
gegenwärtige Akte ist, nach vorgegangener reifer und vielseitiger
Beratung, und nach Vernehmung Unseres Staatsrates das Werk Unseres
ebenso freien als festen Willens. Unser Volk wird in dem Inhalte
desselben die kräftigste Gewährleistung Unserer landesväterlichen
Gesinnungen finden.
Freiheit der Gewissen, und gewissenhafte Scheidung und Schützung
dessen, was des Staates und der Kirche ist.
Freiheit der Meinungen, mit gesetzlichen Beschränkungen gegen den
Missbrauch.
Gleiches Recht der Eingebornen zu allen Graden des Staatsdienstes und zu
allen Bezeichnungen des Verdienstes.
Gleiche Berufung zur Pflicht und zur Ehre der Waffen.
Gleichheit der Gesetze und vor dem Gesetze.
Unparteilichkeit und Unaufhaltbarkeit der Rechtspflege.
Gleichheit der Belegung und der Pflichtigkeit ihrer Leistung.
Ordnung durch alle Teile des Staats-Haushaltes, rechtlicher Schutz des
Staats-Kredits, und gesicherte Verwendung der dafür bestimmten Mittel.
Wiederbelebung der Gemeindekörper durch die Wiedergabe der Verwaltung
der ihr Wohl zunächst berührenden Angelegenheiten.
Eine Standschaft hervorgehend aus allen Klassen der im Staate
ansässigen Staatsbürger, mit den Rechten des Beirates, der Zustimmung,
der Willigung, der Wünsche und der Beschwerdeführung wegen verletzter
verfassungsmäßiger Rechte, berufen, um in öffentlichen Versammlungen
die Weisheit der Beratung zu verstärken ohne die Kraft der Regierung zu
schwächen.
Endlich eine Gewähr der Verfassung, sichernd gegen willkürlichen
Wechsel, aber nicht hindernd das Fortschreiten zum Bessern nach
geprüften Erfahrungen.
Bayern! Dies sind die Grundzüge der aus Unserm freien Entschlusse euch
gegebenen Verfassung, sehet darin die Grundsätze eines Königs, welcher
das Glück seines Herzens und den Ruhm seines Thrones nur von dem
Glücke des Vaterlandes und von der Liebe seines Volkes empfangen will!
Wir erklären hiernach folgende Bestimmungen als Verfassung des
Königreiches Bayern:
§ 1.
Das Königreich Bayern in der Gesamt-Vereinigung aller ältern und
neuern Gebietsteile ist ein souveräner monarchischer Staat nach den
Bestimmungen der gegenwärtigen Verfassungs-Urkunde.
§ 2.
Für das ganze Königreich besteht eine allgemeine in zwei Kammern
abgeteilte Stände-Versammlung.
§ 1.
Der König ist das Oberhaupt des Staats, vereiniget in sich alle
Rechte der Staatsgewalt, und übt sie unter den von Ihm gegebenen in der
gegenwärtigen Verfassungs-Urkunde festgesetzten Bestimmungen aus.
Seine Person ist heilig und unverletzlich.
§ 2.
Die Krone ist erblich in dem Mannsstamme des Königlichen Hauses
nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatisch-linealischen Erbfolge.
§ 3.
Zur Successions-Fähigkeit wird eine rechtmäßige Geburt aus einer
ebenbürtigen mit Bewilligung des Königs geschlossenen Ehe erfordert.
§ 4.
Der Mannsstamm hat vor den weiblichen Nachkommen den Vorzug, und die
Prinzessinnen sind von der Regierungs-Folge in so lange ausgeschlossen,
als in dem Königlichen Hause noch ein successionsfähiger männlicher
Sproße oder ein durch Erbverbrüderung zur Thronfolge berechtigter
Prinz vorhanden ist.
§ 5.
Nach gänzlicher Erlöschung des Mannsstammes und in Ermanglung
einer mit einem andern fürstlichen Hause aus dem deutschen Bunde für
diesen Fall geschlossenen Erbverbrüderung geht die Thronfolge auf die
weibliche Nachkommenschaft nach eben der Erbfolge-Ordnung, die für den
Mannsstamm festgesetzt ist, über, so daß die zur Zeit des Ablebens des
letzt regierenden Königs lebenden Bayerischen Prinzessinnen oder
Abkömmlinge von denselben, ohne Unterschied des Geschlechtes eben so,
als wären sie Prinzen des ursprünglichen Mannsstammes des Bayerischen
Hauses, nach dem Erstgeburts-Rechte und der Lineal-Erbfolge-Ordnung zur
Thronfolge berufen werden.
Wenn in dem regierenden neuen Königlichen Hause wieder Abkömmlinge des
ersten Grades von beyderley Geschlecht geboren werden, tritt alsdann der
Vorzug des männlichen Geschlechts vor dem weiblichen wieder ein.
§ 6.
Sollte die Bayerische Krone nach Erlöschung des Mannsstamms an den
Regenten einer größern Monarchie gelangen, welcher seine Residenz im
Königreiche Bayern nicht nehmen könnte oder würde, so soll dieselbe
an den zweytgebornen Prinzen dieses Hauses übergehen, und in dessen
Linie sodann dieselbe Erbfolge eintreten, wie sie oben vorgezeichnet
ist.
Kömmt aber die Krone an die Gemahlin eines auswärtigen größern
Monarchen, so wird sie zwar Königin, sie muß jedoch einen Vice-König,
der seine Residenz in der Hauptstadt des Königreichs zu nehmen hat,
ernennen, und die Krone geht nach ihrem Ableben an ihren zweytgebornen
Prinzen über.
§ 7.
Die Volljährigkeit der Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen
Hauses tritt mit dem zurückgelegten Achtzehnten Jahre ein.
§ 8.
Die übrigen Verhältnisse der Mitglieder des Königlichen Hauses
richten sich nach den Bestimmungen des pragmatischen Familien-Gesetzes.
§ 9.
Die Reichs-Verwesung tritt ein:
a) während der Minderjährigkeit des Monarchen;
b) wenn derselbe an der Ausübung der Regierung auf längere Zeit
verhindert ist, und für die Verwaltung des Reichs nicht selbst Vorsorge
getroffen hat, oder treffen kann.
§ 10.
Dem Monarchen steht es frey, unter den volljährigen Prinzen des
Hauses den Reichs-Verweser für die Zeit der Minderjährigkeit seines
Nachfolgers zu wählen.
In Ermanglung einer solchen Bestimmung gebührt die Reichs-Verwesung
demjenigen volljährigen Agnaten, welcher nach der festgesetzten
Erbfolge-Ordnung der Nächste ist.
Wäre der Prinz, welchem dieselbe nach obiger Bestimmung gebührt,
selbst noch minderjährig, oder durch ein sonstiges Hinderniß
abgehalten, die Regentschaft zu übernehmen, so fällt sie auf
denjenigen Agnaten, welcher nach ihm der Nächste ist.
§ 11.
Sollte der Monarch durch irgend eine Ursache, die in ihrer Wirkung
länger als ein Jahr dauert, an der Ausübung der Regierung gehindert
werden, und für diesen Fall nicht selbst Vorsehung getroffen haben,
oder treffen können, so findet mit Zustimmung der Stände, welchen die
Verhinderungs-Ursachen anzuzeigen sind, gleichfalls die für den Fall
der Minderjährigkeit bestimmte gesetzliche Regentschaft statt.
§ 12.
Wenn der König nach § 10 den Reichs-Verweser für den Fall der
Minderjährigkeit ernennt, so wird die darüber ausgefertigte Urkunde
durch denjenigen Minister, welchem die Verrichtungen eines Ministers des
Königlichen Hauses übertragen sind, im Haus-Archiv bis zum Ableben des
Monarchen aufbewahrt und dann dem Gesammt-Staats-Ministerium zur
Einsicht und öffentlichen Bekanntmachung vorgelegt. Dem Reichs-Verweser
wird die über seine Ernennung ausgefertigte Urkunde zugleich
mitgetheilt.
§ 13.
Wenn kein zur Reichs-Verwesung geeigneter Agnat vorhanden ist, der
Monarch jedoch eine verwittibte Königin hinterläßt, so gebührt
dieser die Reichs-Verwesung.
In Ermanglung derselben aber übernimmt sie jener Kron-Beamte, welchen
der letzte Monarch hiezu ernennt, und wenn von demselben keine solche
Bestimmung getroffen ist, so geht sie an den ersten Kron-Beamten über,
welchem kein gesetzliches Hinderniß entgegen steht.
§ 14.
In jedem Falle gebührt einer verwittibten Königin unter der
Aufsicht des Reichs-Verwesers die Erziehung ihrer Kinder nach den in dem
Familien-Gesetze hierüber enthaltenen nähern Bestimmungen.
§ 15.
In den im § 9 a und b bezeichneten Fällen wird die Regierung im
Nahmen des minderjährigen oder in der Ausübung der Regierung
gehinderten Monarchen geführt.
Alle Ausfertigungen werden in seinem Nahmen und unter dem gewöhnlichen
Königlichen Siegel erlassen; alle Münzen mit seinem Brustbilde, Wappen
und Titel geprägt.
Der Regent unterzeichnet als: "des Königreichs Bayern
Verweser".
§ 16.
Der Prinz des Hauses, die verwittibte Königin oder derjenige
Kron-Beamte, welchem die Reichs-Verwesung übertragen wird, muß gleich
nach dem Antritte der Regentschaft die Stände versammeln und in ihrer
Mitte und in Gegenwart der Staats-Minister, so wie der Mitglieder des
Staats-Rathes nachstehenden Eid ablegen: "Ich schwöre, den Staat
in Gemäßheit der Verfassung und der Gesetze des Reichs zu verwalten,
die Integrität des Königreiches und die Rechte der Krone zu erhalten
und dem Könige die Gewalt, deren Ausübung mir anvertraut ist, getreu
zu übergeben, so wahr mir Gott helfe und sein heiliges
Evangelium;" worüber eine besondere Urkunde aufgenommen wird.
§ 17.
Der Regent übt während seiner Reichs-Verwesung alle
Regierungs-Rechte aus, welche durch die Verfassung nicht besonders
ausgenommen sind.
§ 18.
Alle erledigten Aemter, mit Ausnahme der Justiz-Stellen, können
während der Reichs-Verwesung nur provisorisch besetzt werden. Der
Reichs-Verweser kann weder Krongüter veräußern oder heimgefallene
Lehen verleihen noch neue Aemter einführen.
§ 19.
Das Gesammt-Staats-Ministerium bildet den Regentschafts-Rath, und
der Reichs-Verweser ist verbunden, in allen wichtigen Angelegenheiten
das Gutachten desselben zu erholen.
§ 20.
Der Reichs-Verweser hat während der Dauer der Regentschaft seine
Wohnung in der Königlichen Residenz, und wird auf Kosten des Staates
unterhalten; auch werden ihm nebstdem zu seiner eigenen Verfügung
jährlich zweymal hundert tausend Gulden in monatlichen Raten auf die
Staats-Kasse angewiesen.
§ 21.
Die Regentschaft dauert in den in § 9 bemerkten zwey Fällen im
ersten bis zur Großjährigkeit des Königs, und im zweyten, bis das
eingetretene Hinderniß aufhört.
§ 22.
Nachdem die Regentschaft beendiget ist und der in die Regierung
eintretende neue König den feyerlichen Eid (Tit. X § 1) abgelegt hat,
werden alle Verhandlungen der Regentschaft geschlossen, und der
Regierungs-Antritt des Königs wird in der Residenz und im ganzen
Königreiche feyerlich kund gemacht.
§ 1.
Der ganze Umfang des Königreichs Bayern bildet eine einzige unteilbare
unveräußerliche Gesamt-Masse aus sämtlichen Bestandteilen an Landen,
Leuten, Herrschaften, Gütern, Regalien und Renten mit allem Zugehör.
Auch alle neuen Erwerbungen aus Privat-Titeln an unbeweglichen Gütern,
sie mögen in der Haupt- oder Nebenlinie geschehen, wenn der erste
Erwerber während seines Lebens nicht darüber verfügt hat, kommen in
den Erbgang des Mannsstammes und werden als der Gesamt-Masse einverleibt
angesehen.
§ 2.
Zu dem unveräußerlichen Staatsgute, welches im Falle einer
Sonderung des Staats-Vermögens von der Privat-Verlassenschaft in das
Inventar der letztern nicht gebracht werden darf, gehören:
1. Alle Archive und Registraturen;
2. Alle öffentlichen Anstalten und Gebäude mit ihrem Zugehör;
3. Alles Geschütz, Munition, alle Militäre-Magazine und was zur
Landeswehr nötig ist;
4. Alle Einrichtungen der Hof-Capellen und Hof-Ämter mit allen
Mobilien, welche der Aufsicht der Hof-Stäbe und Hof-Intendanzen
anvertraut und zum Bedarf oder zum Glanze des Hofes bestimmt sind;
5. Alles, was zur Einrichtung oder zur Zierde der Residenzen und
Lustschlösser dienet;
6. Der Hausschatz und was von dem Erblasser mit demselben bereits
vereiniget worden ist;
7. Alle Sammlungen für Künste und Wissenschaften, als: Bibliotheken,
physicalische, Naturalien- und Münz-Cabinette, Antiquitäten, Statuen,
Sternwarten mit ihren Instrumenten, Gemälde- und Kupferstich-Sammlungen
und sonstige Gegenstände, die zum öffentlichen Gebrauche oder zur
Beförderung der Künste und Wissenschaften bestimmt sind;
8. Alle vorhandenen Vorräte an barem Gelde und Kapitalien in den
Staats-Kassen oder an Naturalien bei den Ämtern, samt allen Ausständen
an
Staatsgefällen;
9. Alles was aus Mitteln des Staats erworben wurde.
§ 3.
Sämtliche Bestandteile des Staatsguts sind, wie bereits in der
Pragmatik vom 20. Oktober 1804 bestimmt war, aus welcher die nach den
veränderten Verhältnissen hierüber noch geltenden Bestimmungen in
gegenwärtige Verfassungs-Urkunde übertragen sind, auf ewig
unveräußerlich, vorbehaltlich der unten folgenden Modifikationen.
Vorzüglich sollen, ohne Ausnahme, alle Rechte der Souverainetät bei
der Primogenitur ungeteilt und unveräußert erhalten werden.
§ 4.
Als Veräußerung des Staatsguts ist anzusehen nicht nur jeder
wirkliche Verkauf, sondern auch eine Schenkung unter den Lebenden oder
eine Vergebung durch eine letzte Willens-Verordnung, Verleihung neuer
Lehen oder Beschwerung mit einer ewigen Last oder Verpfändung oder
Hingabe durch einen Vergleich gegen Annahme einer Summe Geldes.
Auch kann keinem Staatsbürger eine Befreiung von den öffentlichen
Lasten bewilliget werden.
§ 5.
Die bisher zu Belohnung vorzüglicher dem Staate geleisteter Dienste
verliehenen Lehen, Staats-Domainen und Renten sind von obigem Verbote
ausgenommen.
Auch steht dem Könige die Wiederverleihung heimfallender Lehen
jederzeit frei.
Zu Belohnung großer und bestimmter dem Staate geleisteter Dienste
können auch andere Staats-Domainen oder Renten, jedoch mit Zustimmung
der Stände, in der Eigenschaft als Mannlehen der Krone verliehen
werden.
Anwartschaften auf künftige der Krone heimfallende Güter, Renten und
Rechte, können eben so wenig als auf Ämter oder Würden erteilt
werden.
§ 6.
Unter dem Veräußerungs-Verbote sind ferner nicht begriffen:
1. alle Staatshandlungen des Monarchen, welche innerhalb der Grenzen des
Ihm zustehenden Regierungs-Rechts nach dem Zwecke und zur Wohlfahrt des
Staats mit Auswärtigen oder mit Untertanen im Lande über Stamm- und
Staatsgüter vorgenommen werden; insbesondere was
2. an einzelnen Gütern und Gefällen zur Beendigung eines anhängigen
Rechtsstreits gegen Erhaltung oder Erlangung anderer Güter, Renten oder
Rechte, oder zur Grenzberichtigung mit benachbarten Staaten gegen andern
angemessenen Ersatz abgetreten wird;
3. Was gegen andere Realitäten und Rechte von gleichem Werte vertauscht
wird;
4. Alle einzelnen Veräußerungen oder Veränderungen, welche bei den
Staatsgütern dem Staatszwecke gemäß und in Folge der bereits
erlassenen Vorschriften nach richtigen Grundsätzen der fortschreitenden
Staatswirtschaft, zur Beförderung der Landes-Kultur oder sonst zur
Wohlfahrt des Landes oder zum Besten des Staats-Aerars und zur Aufhebung
einer nachtheiligen Selbstverwaltung für gut gefunden werden.
§ 7.
In allen diesen Fällen (§ 6) dürfen jedoch die Staats-Einkünfte
nicht geschmälert, sondern es soll als Ersatz entweder eine
Dominical-Rente, wo möglich in Getreide, dafür bedungen oder der
Kaufschilling zu neuen Erwerbungen oder zur zeitlichen Aushülfe des
Schuldentilgungs-Fonds oder zu andern das Wohl des Landes bezielenden
Absichten verwendet werden.
Mit dem unter dem Staatsgute begriffenen beweglichen Vermögen (§ 2)
kann der Monarch nach Zeit und Umständen zweckmäßige Veränderungen
und Verbesserungen vornehmen.
§ 1.
Zum vollen Genusse aller bürgerlichen, öffentlichen und
Privatrechte in Bayern wird das Indigenat erfordert, welches entweder
durch die Geburt oder durch die Naturalisierung nach den nähern
Bestimmungen des Ediktes über das Indigenat erworben wird.
§ 2.
Das Bayerische Staats-Bürgerrecht wird durch das Indigenat bedingt,
und geht mit demselben verloren.
§ 3.
Nebst diesem wird zu dessen Ausübung noch erfordert:
a) die gesetzliche Volljährigkeit;
b) die Ansässigkeit im Königreiche, entweder durch den Besitz
besteuerter Gründe, Renten oder Rechte, oder durch die Ausübung
besteuerter Gewerbe, oder durch den Eintritt in ein öffentliches Amt.
§ 4.
Kron-Ämter, oberste Hof-Ämter, Zivil-Staatsdienste und oberste
Militär-Stellen, wie auch Kirchen-Ämter oder Pfründen können nur
Eingebornen oder verfassungsmäßig Naturalisierten erteilt werden.
§ 5.
Jeder Bayer ohne Unterschied kann zu allen Civil-, Militär- und
Kirchen-Ämtern oder Pfründen gelangen.
§ 6.
In dem Umfange des Reichs kann keine Leibeigenschaft bestehen, nach
den nähern Bestimmungen des Ediktes vom 3. August 1808.
§ 7.
Alle ungemessenen Fronen sollen in Gemessene umgeändert werden und
auch diese ablösbar sein.
§ 8.
Der Staat gewährt jedem Einwohner Sicherheit seiner Person, seines
Eigentums und seiner Rechte.
Niemand darf seinem ordentlichen Richter entzogen werden.
Niemand darf verfolgt oder verhaftet werden, als in den durch die
Gesetze bestimmten Fällen, und in der gesetzlichen Form.
Niemand darf gezwungen werden, sein Privat-Eigentum, selbst für
öffentliche Zwecke abzutreten, als nach einer förmlichen Entscheidung
des versammelten Staatsrates, und nach vorgängiger Entschädigung, wie
solches in der Verordnung vom 14. August 1815 bestimmt ist.
§ 9.
Jedem Einwohner des Reichs wird vollkommene Gewissens-Freiheit
gesichert; die einfache Haus-Andacht darf daher Niemanden, zu welcher
Religion er sich bekennen mag, untersagt werden.
Die in dem Königreiche bestehenden drei christlichen
Kirchen-Gesellschaften genießen gleiche bürgerliche und politische
Rechte.
Die nicht christlichen Glaubens-Genossen haben zwar vollkommene
Gewissens-Freiheit, sie erhalten aber an den Staatsbürgerlichen Rechten
nur in dem Maße einen Anteil, wie ihnen derselbe in den organischen
Edikten über ihre Aufnahme in die Staats-Gesellschaft zugesichert ist.
Allen Religionsheilen, ohne Ausnahme, ist das Eigentum der Stiftungen
und der Genuß ihrer Renten nach den ursprünglichen Stiftungs-Urkunden
und dem rechtmäßigen Besitze, sie seien für den Kultus, den
Unterricht oder die Wohltätigkeit bestimmt, vollständig gesichert.
Die geistliche Gewalt darf in ihrem eigentlichen Wirkungskreise nie
gehemmt werden, und die weltliche Regierung darf in rein geistlichen
Gegenständen der Religions-Lehre und des Gewissens sich nicht
einmischen, als in soweit das Obersthoheitliche Schutz- und
Aufsichts-Recht eintritt, wonach keine Verordnungen und Gesetze der
Kirchen-Gewalt ohne vorgängige Einsicht und das Plazet des Königs
verkündet und vollzogen werden dürfen.
Die Kirchen und Geistlichen sind in ihren bürgerlichen Handlungen und
Beziehungen wie auch in Ansehung des ihnen zustehenden Vermögens den
Gesetzen des Staates und den weltlichen Gerichten untergeben; auch
können sie von öffentlichen Staatslasten keine Befreiung ansprechen.
Die übrigen nähern Bestimmungen über die äußern
Rechts-Verhältnisse der Bewohner des Königreichs, in Beziehung auf
Religion und kirchliche Gesellschaften sind in dem der gegenwärtigen
Verfassungs-Urkunde beigefügten besondern Edikte enthalten.
§ 10.
Das gesamte Stiftungsvermögen nach den drei Zwecken des Kultus, des
Unterrichts und der Wohltätigkeit, wird gleichfalls unter den besondern
Schutz des Staates gestellt, es darf unter keinem Vorwande zu dem
Finanz-Vermögen eingezogen und in der Substanz für andere, als die
drei genannten Zwecke, ohne Zustimmung der Beteiligten, und bei
allgemeinen Stiftungen ohne Zustimmung der Stände des Reiches
veräußert oder verwendet werden.
§ 11.
Die Freiheit der Presse und des Buchhandels ist nach den
Bestimmungen des hierüber erlassenen besondern Ediktes gesichert.
§ 12.
Alle Bayern haben gleiche Pflichtigkeit zu dem Kriegsdienste und zur
Landwehr nach den dies falls bestehenden Gesetzen.
§ 13.
Die Teilnahme an den Staats-Lasten ist für alle Einwohner des
Reichs allgemein, ohne Ausnahme irgend eines Standes, und ohne
Rücksicht auf vormals bestandene besondere Befreiungen.
§ 14.
Es ist den Bayern gestattet, in einen andern Bundesstaat, welcher
erweißlich sie zu Untertanen annehmen will, auszuwandern, auch in
Civil- und Militär-Dienste desselben zu treten, wenn sie den
gesetzlichen Verbindlichkeiten gegen ihr bisheriges Vaterland Genüge
geleistet haben.
Sie dürfen, solange sie im Untertans-Verbande bleiben, ohne
ausdrückliche Erlaubnis des Monarchen von einer auswärtigen Macht
weder Gehalte noch Ehrenzeichen annehmen.
§ 1.
Die Kron-Aemter werden als oberste Würden des Reichs, entweder auf
die Lebenszeit der Würdeträger oder auf deren männliche Erben, nach
dem Rechte der Erstgeburt und der agnatisch-linealischen Erbfolge als
Thron-Lehen verliehen.
Die Kron-Beamten sind durch ihre Reichswürden Mitglieder der ersten
Kammer in der Stände-Versammlung.
§ 2.
Den vormals Reichsständischen Fürsten und Grafen werden alle jene
Vorzüge und Rechte zugesichert, welche in dem ihre Verhältnisse
bestimmenden besondern Edikte ausgesprochen sind.
§ 3.
Die der Bayerischen Hoheit untergebenen ehemaligen unmittelbaren
Reichsadeligen genießen diejenigen Rechte, welche in Gemäßheit der
Königlichen Deklaration durch die constitutionellen Edicte ihnen
zugesichert werden.
§ 4.
Der gesamte übrige Adel des Reichs behält, wie jeder
Guts-Eigentümer, seine gutsherrlichen Rechte nach den gesetzlichen
Bestimmungen.
Übrigens hat derselbe folgende Vorzüge zu genießen:
1. ausschließend das Recht, eine gutsherrliche Gerichtsbarkeit ausüben
zu können;
2. FamiIien-Fidei-Commisse auf Grundvermögen zu errichten;
3. Einen von dem landgerichtlichen befreiten Gerichtsstand in
bürgerlichen und
strafrechtlichen Fällen;
4. die Rechte der Siegelmäßigkeit unter den Beschränkungen der
Gesetze über
das Hypothekenwesen; endlich
5. bei der Militaire-Conscription die Auszeichnung, dass die Söhne der
Adeligen als Cadetten eintreten.
§ 5.
Einige dieser Vorzüge teilen für ihre Personen (die geistlichen
und) die wirklichen Collegial-Räthe, und die mit diesen in gleicher
Categorie stehenden höhern Beamten.
Die Geistlichen genießen denselben befreiten Gerichtsstand in
bürgerlichen und strafrechtlichen Fällen; die Collegial-Räthe und
höhern Beamten außer diesem auch die Rechte der Siegelmäßigkeit und
die obige Auszeichnung bei der Militaire-Conscription.
§ 6.
Die Dienstes-Verhältnisse und Pensions-Ansprüche der Staatsdiener
und öffentlichen Beamten richten sich nach den Bestimmungen der
Dienstes-Pragmatik.
§ 1.
Die zwei Kammern der allgemeinen Versammlung der Stände des Reichs
sind:
a) die der Reichs-Räthe,
b) die der Abgeordneten.
§ 2.
Die Kammer der Reichs-Räte ist zusammengesetzt aus
1. den volljährigen Prinzen des Königlichen Hauses;
2. den Kron-Beamten des Reichs;
3. den beiden Erzbischöfen;
4. den Häuptern der ehemals Reichsständischen fürstlichen und
gräflichen Familien, als erblichen Reichs-Räten, so lange sie im
Besitze ihrer vormaligen Reichsständischen im Königreiche gelegenen
Herrschaften bleiben;
5. einem vom Könige ernannten Bischöfe und dem jedesmaligen
Präsidenten des protestantischen General-Consistoriums;
6. aus denjenigen Personen, welche der König entweder wegen
ausgezeichneter dem Staate geleisteter Dienste, oder wegen ihrer Geburt,
oder ihres Vermögens zu Mitgliedern dieser Kammer entweder erblich oder
lebenslänglich besonders ernennt.
§ 3.
Das Recht der Vererbung wird der König nur adeligen Gutsbesitzern
verleihen, welche im Königreiche das volle Staatsbürgerrecht, und ein
mit dem Lehen- oder Fidei-Commissarischen Verbande belegtes
Grund-Vermögen besitzen, von welchem sie an Grund- und
Dominical-Steuern in simplo Dreihundert Gulden entrichten, und wobei
eine agnatisch-linealische Erbfolge nach dem Rechte der Erstgeburt
eingeführt ist.
Die Würde eines erblichen Reichs-Rates geht jedes Mal mit den Gütern,
worauf das Fidei-Commiß gegründet ist, nur auf den nach dieser
Erbfolge eintretenden Besitzer über.
§ 4. Die Zahl der lebenslänglichen Reichs-Räte kann den dritten Teil
der erblichen nicht übersteigen.
§ 5. Die Reichs-Räthe haben Zutritt in die erste Kammer nach
erreichter Volljährigkeit, eine entscheidende Stimme aber kömmt den
Prinzen des Königlichen Hauses erst mit dem Einundzwanzigsten, den
übrigen Reichs-Räten mit dem Fünfundzwanzigsten Lebensjahre zu.
§ 6. Die Kammer der Reichs-Räte kann nur dann eröffnet werden,
wenn wenigstens die Hälfte der sämtlichen Mitglieder anwesend ist.
§ 7. Die zweite Kammer der Stände-Versammlung bildet sich
a) aus den Grundbesitzern, welche eine gutsherrliche Gerichtsbarkeit
ausüben und nicht Sitz und Stimme in der ersten Kammer haben;
b) aus Abgeordneten der Universitäten;
c) aus Geistlichen der katholischen und protestantischen Kirche;
d) aus Abgeordneten der Städte und Märkte;
e) aus den nicht zu a) gehörigen Landeigentümern.
§ 8. Die Zahl der Mitglieder richtet sich im Ganzen nach der
Zahl der Familien im Königreiche, in dem Verhältnisse, dass auf 7000
Familien ein Abgeordneter gerechnet wird.
§ 9. Von der auf solche Art bestimmten Zahl stellt:
a) die Klasse der adeligen Gutsbesitzer ein Achtel;
b) die Klasse der Geistlichen der katholischen und protestantischen
Kirche ein Achtel;
c) die Klasse der Städte und Märkte ein Vierteil, und
d) die Klasse der übrigen Landeigentümer, welche keine gutsherrliche
Gerichtsbarkeit ausüben, zwei Vierteile der Abgeordneten;
e) jede der drei Universitäten ein Mitglied.
§ 10. Die jede einzelne Klasse treffende Zahl von Abgeordneten
wird nach den Bestimmungen des über die Stände-Versammlung hier
beygefügten besondern Edictes auf die einzelnen Regierungs-Bezirke verteilt.
Hierzu Edict über die Ständeversammlung (Beilage X. der
Verfassungsurkunde).
Durch Gesetz vom 4. Juni 1848 wurde der Titel VI. § 10 aufgehoben;
ersetzt durch das Gesetz, die Wahl der Landtagsabgeordneten betreffend.
§ 11. Jede Klasse wählt in jedem Regierungs-Bezirke die sie
daselbst treffende Zahl von Abgeordneten nach der in dem angeführten
Edicte vorgeschriebenen Wahlordnung für die sechsjährige Dauer der
Versammlung. Die während derselben erledigten Stellen werden aus
denjenigen ersetzt, welche den Gewählten in der Stimmenzahl zunächst
kommen.
Durch Gesetz vom 4. Juni 1848 wurde der Titel VI. § 11 aufgehoben;
ersetzt durch das Gesetz, die Wahl der Landtagsabgeordneten betreffend.
§ 12. Jedes Mitglied der Kammer der Abgeordneten muß ohne
Rücksicht auf Standes- oder Dienst-Verhältnisse ein selbstständiger
Staatsbürger sein, welcher das dreißigste Lebensjahr zurückgelegt hat
und den freien Genuß eines solchen im betreffenden Bezirke oder Orte
gelegenen Vermögens besitzt, welches seinen unabhängigen Unterhalt
sichert, und durch die im Edikte festgesetzte Größe der jährlichen
Versteuerung bestimmt wird.
Er muss sich zu einer der drei christlichen Religionen erkennen und darf
niemals einer Spezial-Untersuchung wegen Verbrechen oder Vergehen
unterlegen haben, wovon er nicht gänzlich freigesprochen worden ist.
§ 13. Alle sechs Jahre wird eine neue Wahl der Abgeordneten
vorgenommen und sonst nur in dem Falle, wenn die Kammer von dem Könige
aufgelöst wird.
Die austretenden Mitglieder sind wieder wählbar.
§ 14. Der Austritt eines bereits ernannten Mitgliedes erfolgt
während der Dauer der Versammlung
1. wenn dasselbe die Realität, das Gericht Gewerbe oder die geistliche
Pfründe, welche seine Wahl für den betreffenden Regierungs-Bezirk oder
die Klasse besonders begründeten, aus was immer für Veranlassungen zu
besitzen aufhört, ohne einen gleichen Ersatz in demselben Bezirke, Orte
oder in derselben Klasse zu erwerben;
2. wenn das Mitglied unter der Zeit eine der oben (§ 12) zur passiven
Wahlfähigkeit wesentlich erforderlichen Eigenschaften verliert.
In diesen Fällen hat die Kammer der Abgeordneten auf die geschehene
Anzeige und nach Vernehmung des Beteiligten zu entscheiden.
§ 15. Zur gültigen Constituirung der Kammer der Abgeordneten
wird die Anwesenheit von wenigstens zwei Drittteilen der gewählten
Mitglieder erfordert.
§ 16. Die Kammer der Reichs-Räte wird gleichzeitig mit jener
der Abgeordneten zusammenberufen, eröffnet und geschlossen.
§ 17. Kein Mitglied der ersten oder zweiten Kammer darf sich in der
Sitzung durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen.
§ 18. Die Anträge über die Staats-Auflagen geschehen zuerst in der
Kammer der Abgeordneten und werden dann durch diese an die Kammer der
Reichs-Räthe gebracht.
Alle übrigen Gegenstände können nach der Bestimmung des Königs der
einen oder der andern Kammer zuerst vorgelegt werden.
§ 19. Kein Gegenstand des den Ständen des Reichs angewiesenen
gemeinschaftlichen Wirkungskreises kann von einer Kammer allein in
Berathung gezogen werden, und die Wirkung einer gültigen Einwilligung
der Stände erlangen.
§ 1.
Die beiden Kammern können nur über jene Gegenstände in Beratung
treten, die in ihren Wirkungskreis gehören, welcher in den §§ 2 bis
19 näher bezeichnet ist.
§ 2.
Ohne den Beirats und die Zustimmung der Stände des Königreichs
kann kein allgemeines neues Gesetz, welches die Freiheit der Person oder
das Eigentum des Staats-Angehörigen betrifft, erlassen, noch ein schon
bestehendes abgeändert, authentisch erläutert oder aufgehoben werden.
§ 3.
Der König erholt die Zustimmung der Stände zur Erhebung aller
direkten Steuern, so wie zur Erhebung neuer indirekten Auflagen, oder zu
der Erhöhung oder Veränderung der bestehenden.
§ 4.
Den Ständen wird daher nach ihrer Eröffnung die genaue Übersicht
des Staatsbedürfnisses, so wie der gesamten Staats-Einnahmen (Budget)
vorgelegt werden, welche dieselbe durch einen Ausschuss prüfen und
sodann über die zu erhebenden Steuern in Beratung treten.
§ 5.
Die zur Deckung der ordentlichen beständigen und bestimmt
vorherzusehenden Staats-Ausgaben mit Einschluss des notwendigen
Reserve-Fonds erforderlichen direkten Steuern werden jedes Mal auf sechs
Jahre bewilligt.
Um jedoch jede Stockung in der Staatshaushaltung zu vermeiden, werden in
dem Etats-Jahre, in welchem die erste Stände-Versammlung einberufen
wird, die in dem vorigen Etats-Jahre erhobenen Staats-Auflagen
fortentrichtet.
§ 6.
Ein Jahr vor dem Ablaufe des Termins, für welchen die fixen
Ausgaben festgesetzt sind, somit nach Verlauf von sechs Jahren, lässt
der König für die
sechs Jahre, welche diesem Termine folgen, den Ständen ein neues Budget
vorlegen.
§ 7.
In dem Falle, wo der König durch außerordentliche äußere
Verhältnisse verhindert ist, in diesem letzten Jahre der ordentlichen
Steuer-Bewilligung die Stände zu versammeln, kömmt Ihm die Befugnis
einer Forterhebung der letztbewilligten Steuer auf ein halbes Jahr zu.
§ 8. In Fällen eines außerordentlichen und unvorhergesehenen
Bedürfnisses und der Unzulänglichkeit der bestehenden
Staats-Einkünfte zu dessen Deckung wird dieses den Ständen zur
Bewilligung der erforderlichen außerordentlichen Auflagen vorgelegt
werden.
§ 9. Die Stände können die Bewilligung der Steuern mit keiner
Bedingung verbinden.
§ 10. Den Ständen des Reichs wird bei einer jeden Versammlung
eine genaue Nachweisung über die Verwendung der Staats-Einnahmen
vorgelegt werden.
§ 11. Die gesamte Staatsschuld wird unter die Gewährleistung
der Stände gestellt.
Zu jeder neuen Staatsschuld, wodurch die zur Zeit bestehende
Schulden-Masse im Capitals-Beträge oder der jährlichen Verzinsung
vergrößert wird, ist die Zustimmung der Stände des Reichs
erforderlich.
§ 12. Eine solche Vermehrung der Staatsschulden hat nur für
jene dringenden und außerordentlichen Staatsbedürfnisse statt, welche
weder durch die ordentlichen noch durch außerordentliche Beiträge der
Untertanen, ohne deren zu große Belastung bestritten werden können,
und die zum wahren Nutzen des Landes gereichen.
§ 13. Den Ständen wird der Schuldentilgungs-Plan vorgelegt, und
ohne ihre Zustimmung kann an dem von ihnen angenommenen Plane keine
Abänderung getroffen, noch ein zur Schuldentilgung bestimmtes Gefäll
zu irgend einem andern Zwecke verwendet werden.
§ 14.
Jede der beiden Kammern hat aus ihrer Mitte einen Commissaire zu
ernennen, welche gemeinschaftlich bei der Schuldentilgungs-Commission
von allen ihren Verhandlungen genaue Kenntnis zu nehmen und auf die
Einhaltung der festgesetzten Normen zu wachen haben.
§ 15. In außerordentlichen Fällen, wo drohende äußere Gefahren die
Aufnahme von Capitalien dringend erfordern, und die Einberufung der
Stände durch äußere Verhältnisse unmöglich gemacht wird, soll
diesen Commissaires die Befugnis zustehen, zu diesen Anleihen im Nahmen
der Stände vorläufig ihre Zustimmung zu erteilen.
Sobald die Einberufung der Stände möglich wird, ist ihnen die ganze
Verhandlung über diese Capitals-Aufnahme vorzulegen, um in das
Staatsschulden-Verzeichnis eingetragen zu werden.
§ 16. Den Ständen wird bei jeder Versammlung die genaue Nachweisung
des Standes der Staatsschulden-Tilgungs-Kasse vorgelegt werden.
§ 17. Die Stände haben das Recht der Zustimmung zur Veräußerung oder
Verwendung allgemeiner Stiftungen in ihrer Substanz für andere als ihre
ursprünglichen Zwecke.
§ 18. Eben so ist ihre Zustimmung zur Verleihung von Staats-Domänen
oder Staats-Renten zu Belohnung großer und bestimmter dem Staate
geleisteter Dienste erforderlich.
§ 19. Die Stände haben das Recht, in Beziehung auf alle zu ihrem
Wirkungskreise gehörigen Gegenstände dem Könige ihre gemeinsamen
Wünsche und Anträge in der geeigneten Form vorzubringen.
§ 20. Jeder einzelne Abgeordnete hat das Recht, in dieser Beziehung
seine Wünsche und Anträge in seiner Kammer vorzubringen, welche
darüber: ob dieselben in nähere Ueberlegung gezogen werden sollen,
durch Mehrheit der Stimmen erkennt, und sie im bejahenden Falle an den
betreffenden Ausschuss zur Prüfung und Würdigung bringt.
Die von einer Kammer über solche Anträge gefassten Beschlüsse müssen
der andern Kammer mitgeteilt und können erst nach deren erfolgter
Bestimmung dem Könige vorgelegt werden.
§ 21. Jeder einzelne Staatsbürger, so wie jede Gemeinde kann
Beschwerden über Verletzung der konstitutionellen Rechte an die
Stände-Versammlung, und zwar an jede der beiden Kammern bringen, welche
sie durch den hierüber bestehenden Ausschuss prüft, und findet dieser
sie dazu geeignet, in Beratung nimmt.
Erkennt die Kammer durch Stimmenmehrheit die Beschwerde für gegründet,
so teilt sie ihren dies falls an den König zu erstattenden Antrag der
andern Kammer mit, welcher, wenn diese demselben beistimmt, in einer
gemeinsamen Vorstellung dem Könige übergeben wird.
§ 22. Der König wird wenigstens alle drei Jahre die Stände
zusammenberufen.
Der König eröffnet und schließt die Versammlung entweder in eigener
Person oder durch einen besonders hiezu Bevollmächtigten.
Die Sitzungen einer solchen Versammlung dürfen in der Regel nicht
länger als zwey Monate dauern, und die Stände sind verbunden, in ihren
Sitzungen die von dem Könige an sie gebrachten Gegenstände vor allen
übrigen in Beratung zu nehmen.
§ 23. Dem Könige steht jederzeit das Recht zu, die Sitzungen der
Stände zu verlängern, sie zu vertagen oder die ganze Versammlung
aufzulösen.
In dem letzten Falle muss wenigstens binnen drei Monaten eine neue Wahl
der Kammer der Abgeordneten vorgenommen werden.
§ 24. Die Staats-Minister können den Sitzungen der beiden Kammern
beiwohnen, wenn sie auch nicht Mitglieder derselben sind.
§ 25. Jedes Mitglied der Stände-Versammlung hat folgenden Eid zu
leisten: "Ich schwöre Treue dem Könige, Gehorsam dem Gesetze,
Beobachtung und Aufrechthaltung der Staats-Verfassung und in der
Stände-Versammlung nur des ganzen Landes allgemeines Wohl und Beste
ohne Rücksicht auf besondere Stände oder Klassen nach meiner innern
Überzeugung zu beraten; So wahr mir Gott helfe und sein heiliges
Evangelium."
§ 26. Kein Mitglied der Stände-Versammlung kann während der Dauer der
Sitzungen ohne Einwilligung der betreffenden Kammer zu Verhaft gebracht
werden, den Fall der Ergreifung auf frischer Tat bei begangenem
Verbrechen ausgenommen.
§ 27. Kein Mitglied der Stände-Versammlung kann für die Stimme,
welche es in seiner Kammer geführt hat, anders als in Folge der
Geschäfts-Ordnung durch die Versammlung selbst zur Rede gestellt
werden.
§ 28.
Ein Gegenstand, über welchen die beiden Kammern sich nicht
vereinigen, kann in derselben Sitzung nicht wieder zur Beratung gebracht
werden.
§ 29.
Die Königliche Entschließung auf die Anträge der Reichsstände
erfolgt nicht einzeln, sondern auf alle verhandelten Gegenstände
zugleich bei dem Schlusse der Versammlung.
§ 30.
Der König allein sanktioniert die Gesetze und erlässt dieselben
mit seiner Unterschrift und Anführung der Vernehmung des Staats-Rates
und des erfolgten Beirates und der Zustimmung der Lieben und Getreuen,
der Stände des Reichs.
§ 31.
Wenn die Versammlung der Reichsstände vertagt, förmlich
geschlossen oder aufgelöst worden ist, können die Kammern nicht mehr
gültig beratschlagen, und jede fernere Verhandlung ist ungesetzlich.
§ 1.
Die Gerichtsbarkeit geht vom Könige aus. Sie wird unter Seiner
Oberaufsicht durch eine geeignete Zahl von Ämtern und Obergerichten in
einer gesetzlich bestimmten Instanzen-Ordnung verwaltet.
§ 2.
Alle Gerichtsstellen sind verbunden, ihren Urteilen
Entscheidungsgründe beizufügen.
§ 3.
Die Gerichte sind innerhalb der Grenzen ihrer amtlichen Befugnis
unabhängig, und die Richter können nur durch einen Rechtsspruch von
ihren Stellen mit Verlust des damit verbundenen Gehaltes entlassen oder
derselben entsetzt werden.
§ 4.
Der König kann in strafrechtlichen Sachen Gnade erteilen, die
Strafe mildern oder erlassen; aber in keinem Falle irgend eine
anhängige Streitsache oder angefangene Untersuchung hemmen.
§ 5.
Der Königliche Fiskus wird in allen streitigen
Privatrechts-Verhältnissen bey den Königlichen Gerichtshöfen Recht
nehmen.
§ 6.
Die Vermögens-Confiscation hat in keinem Falle den der Desertion
ausgenommen statt.
§ 7.
Es soll für das ganze Königreich ein und dasselbe bürgerliche und
Straf-Gesetzbuch bestehen.
§ 1.
Jeder Bayer ist verpflichtet, zur Vertheidigung seines Vaterlandes, nach
den hierüber bestehenden Gesetzen mitzuwirken.
Von der Pflicht, die Waffen zu tragen, ist der geistliche Stand
ausgenommen.
§ 2.
Der Staat hat zu seiner Vertheidigung eine stehende Armee, welche durch
die allgemeine Militaire-Conscription ergänzt und auch im Frieden
gehörig unterhalten wird.
§ 3.
Neben dieser Armee bestehen noch Reserve-Bataillons und die Landwehr.
Durch Gesetz vom 30. Januar 1868 wurde der Titel IX. § 3 aufgehoben.
§ 4.
Die Reserve-Bataillons sind zur Verstärkung des stehenden Heeres
bestimmt, und theilen im Falle des Aufgebots alle Verpflichtungen, Ehren
und Vorzüge mit demselben.
Im Frieden bleibt sämmtliche in den Reserve-Bataillons eingereihte
Mannschaft, die zu den Waffenübungen erforderliche Zeit ausgenommen, in
ihrer Heimath, frey von allem militairischen Zwange, bloß der
bürgerlichen Gerichtsbarkeit und den bürgerlichen Gesetzen
unterworfen, ohne an der Veränderung des Wohnsitzes, der
Ansässigmachung oder Verehelichung gehindert zu sein.
Durch Gesetz vom 30. Januar 1868 wurde der Titel IX. § 4 aufgehoben.
§ 5.
Die Landwehr kann in Kriegszeiten zur Unterstützung der schon durch die
Reserve-Bataillons verstärkten Armee auf besondern Königlichen Aufruf
jedoch nur innerhalb der Grenzen des Reichs, in militairische
Thätigkeit treten.
Zur zweckmäßigen Benützung dieser Masse wird dieselbe in zwey
Abtheilungen ausgeschieden, deren zweyte die zur Mobilisirung weniger
geeigneten Individuen begreift, und in keinem Falle außer ihrem Bezirke
verwendet werden soll.
In Friedenszeiten wirkt die Landwehr zur Erhaltung der innern Sicherheit
mit, in so ferne es erforderlich ist, und die dazu bestimmten Truppen
nicht hinreichen.
§ 6.
Die Armee handelt gegen den äußern Feind und im Innern nur dann wenn
die Militär-Macht von der kompetenten Zivil-Behörde förmlich dazu
aufgefordert wird.
§ 7.
Die Militär-Personen stehen in Dienstsachen, dann wegen Verbrechen oder
Vergehen unter der Militär-Gerichtsbarkeit, in Real- und gemischten
Rechtssachen aber unter den bürgerlichen Gerichten.
§ 1.
Bey dem Regierungs-Antritte schwört der König in einer feierlichen
Versammlung der Staats-Minister, der Mitglieder des Staats-Rates und
einer Deputation der Stände, wenn sie zu der Zeit versammelt sind,
folgenden Eid: "Ich schwöre nach der Verfassung und den Gesetzen
des Reichs zu regieren, so wahr mit Gott helfe und sein heiliges
Evangelium".
Über diesen Act wird eine Urkunde verfasst, in das Reichs-Archiv
hinterlegt und beglaubigte Abschrift davon der Stände-Versammlung
Mitgeteilt.
§ 2.
Der Reichs-Verweser leistet in Beziehung auf die Erhaltung der
Verfassung den Titel II § 16 vorgeschriebenen Eid.
Sämmtliche Prinzen des Königlichen Hauses leisten nach erlangter
Volljährigkeit ebenfalls einen Eid auf die genaue Beobachtung der
Verfassung.
§ 3. Alle Staatsbürger sind bey der Ansässigmachung und bey der
allgemeinen Landes-Huldigung, so wie alle Staatsdiener bey ihrer
Anstellung verbunden folgenden Eid abzulegen: "lch schwöre Treue
dem Könige, Gehorsam dem Gesetze und Beobachtung der Staats-Verfassung,
so wahr mit Gott helfe und sein heiliges Evangelium".
§ 4. Die Königlichen Staats-Minister und sämmtliche Staatsdiener sind
für die genaue Befolgung der Verfassung verantwortlich.
§ 5. Die Stände haben das Recht, Beschwerden über die durch die
Königlichen Staats-Ministerien oder andere Staatsbehörden geschehene
Verletzung der Verfassung in einem gemeinsamen Antrag an den König zu
bringen, welcher denselben auf der Stelle abhelfen, oder, wenn ein
Zweyfel dabey obwalten sollte, sie näher nach der Natur des
Gegenstandes durch den Staatsrath oder die oberste Justiz-Stelle
untersuchen und darüber entscheiden lassen wird.
§ 6. Finden die Stände sich durch ihre Pflichten aufgefordert, gegen
einen höhern Staats-Beamten wegen vorsetzlicher Verletzung der
Staats-Verfassung eine :förmliche Anklage zu stellen, so sind die
Anklags-Puncte bestimmt zu bezeichnen und in jeder Kammer durch einen
besondern Ausschuß zu prüfen.
Vereinigen sich beyde Kammern hierauf in ihren Beschlüssen über die
Anklage, so bringen sie dieselbe mit ihren Belegen in vorgeschriebener
Form an den König.
Dieser wird sie sodann der obersten Justiz-Stelle in welcher im Falle
der nothwendigen oder freywilligen Berufung auch die zweyte Instanz
durch Anordnung eines andern Senats gebildet wird zur Entscheidung
übergeben und die Stände von dem gefällten Urteile in Kenntnis
setzen.
§ 7.
Abänderungen in den Bestimmungen der Verfassungs-Urkunde oder Zusätze
zu derselben können ohne Zustimmung der Stände nicht geschehen.
Die Vorschläge hiezu gehen allein vom Könige aus, und nur wenn
Derselbe sie an die Stände gebracht hat, dürfen diese darüber
beratschlagen.
Zu einem gültigen Beschlusse in dieser höchst wichtigen Angelegenheit
wird wenigstens die Gegenwart von drei Vierteilen der bei der
Versammlung anwesenden Mitglieder in jeder Kammer und eine Mehrheit von
zwei Drittteilen der Stimmen erfordert.
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Indem Wir dieses Staats-Grundgesetz zur allgemeinen Befolgung und
genauen Beobachtung in seinem ganzen Inhalte, einschlüssig der dasselbe
ergänzenden und in der Haupt-Urkunde als Beilagen bezeichneten Edikte
hierdurch kund machen, so verordnen Wir zugleich, dass die darin
angeordnete Versammlung der Stände zur Ausübung der zu ihrem
Wirkungskreise gehörigen Rechte am 1. Januar 1819 einberufen, und
inzwischen die hiezu erforderliche Einleitung veranstaltet werde.
Gegeben in Unserer Haupt- und Residenzstadt München, am sechs und
zwanzigsten Tage des Monats Mai im Eintausend achthundert und
achtzehnten Jahre, Unseres Reiches im dreizehnten.
Maximilian Joseph
Graf von Reigersberg.
Fürst von Wrede.
Graf von Triva.
Graf von Rechberg.
Graf von Thürheim.
Freiherr von Lerchenfeld
Graf von Törring.
Nach dem Befehle Seiner Majestät des Königs:
Egid von Kobell
Königl. Staatsrat und General-Secretär.
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