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vom 6. April 1968
in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Verfassung
der Deutschen Demokratischen Republik
vom 7. Oktober 1974
Quelle: Gesetzesblatt der DDR Teil I Nr. 47 - Ausgabetag: 27. September
1974
Präambel
In Fortsetzung der revolutionären Traditionen der deutschen
Arbeiterklasse und gestützt auf die Befreiung vom Faschismus hat das
Volk der Deutschen Demokratischen Republik in Übereinstimmung mit den
Prozessen der geschichtlichen Entwicklung unserer Epoche sein Recht auf
sozial-ökonomische, staatliche und nationale Selbstbestimmung
verwirklicht und gestaltet die entwickelte sozialistische Gesellschaft.
Erfüllt von dem Willen, seine Geschicke frei zu bestimmen, unbeirrt
auch weiter den Weg des Sozialismus und Kommunismus, des Friedens, der
Demokratie und Völkerfreundschaft zu gehen, hat sich das Volk der
Deutschen Demokratischen Republik diese sozialistische Verfassung
gegeben.
Abschnitt I
Grundlagen der sozialistischen Gesellschafts- und Staatsordnung
Kapitel 1
Politische Grundlagen
Artikel 1
Die Deutsche Demokratische Republik ist ein sozialistischer Staat der
Arbeiter und Bauern. Sie ist die politische Organisation der
Werktätigen in Stadt und Land unter Führung der Arbeiterklasse und
ihrer marxistisch-leninistischen Partei.
Die Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik ist Berlin.
Die Staatsflagge der Deutschen Demokratischen Republik besteht aus den
Farben Schwarz-Rot-Gold und trägt auf beiden Seiten in der Mitte das
Staatswappen der Deutschen Demokratischen Republik.
Das Staatswappen der Deutschen Demokratischen Republik besteht aus
Hammer und Zirkel, umgeben von einem Ährenkranz, der im unteren Teil
von einem schwarz-rot-goldenen Band umschlungen ist.
Artikel 2
(1) Alle politische Macht in der Deutschen Demokratischen Republik wird
von den Werktätigen in Stadt und Land ausgeübt. Der Mensch steht im
Mittelpunkt aller Bemühungen der sozialistischen Gesellschaft und ihres
Staates. Die weitere Erhöhung des materiellen und kulturellen
Lebensniveaus des Volkes auf der Grundlage eines hohen
Entwicklungstempos der sozialistischen Produktion, der Erhöhung der
Effektivität, des wissenschaftlich-technischen Fortschritts und des
Wachstums der Arbeitsproduktivität ist die entscheidende Aufgabe der
entwickelten sozialistischen Gesellschaft.
(2) Das feste Bündnis der Arbeiterklasse mit der Klasse der
Genossenschaftsbauern, den Angehörigen der Intelligenz und den anderen
Schichten des Volkes, das sozialistische Eigentum an Produktionsmitteln,
die Leitung und Planung der gesellschaftlichen Entwicklung nach den
fortgeschrittensten Erkenntnissen der Wissenschaft bilden unantastbare
Grundlagen der sozialistischen Gesellschaftsordnung.
(3) Die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ist für immer
beseitigt. Was des Volkes Hände schaffen, ist des Volkes Eigen. Das
sozialistische Prinzip "Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach
seiner Leistung" wird verwirklicht.
Artikel 3
(1) Das Bündnis aller Kräfte des Volkes findet in der Nationalen Front
der Deutschen Demokratischen Republik seinen organisierten Ausdruck.
(2) In der Nationalen Front der Deutschen Demokratischen Republik
vereinigen die Parteien und Massenorganisationen alle Kräfte des Volkes
zum gemeinsamen Handeln für die Entwicklung der sozialistischen
Gesellschaft. Dadurch verwirklichen sie das Zusammenleben aller Bürger
in der sozialistischen Gemeinschaft nach dem Grundsatz, daß jeder
Verantwortung für das Ganze trägt.
Artikel 4
Alle Macht dient dem Wohle des Volkes. Sie sichert sein friedliches
Leben, schützt die sozialistische Gesellschaft und gewährleistet die
sozialistische Lebensweise der Bürger, die freie Entwicklung des
Menschen, wahrt seine Würde und garantiert die in dieser Verfassung
verbürgten Rechte.
Artikel 5
(1) Die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik üben ihre
politische Macht durch demokratisch gewählte Volksvertretungen aus.
(2) Die Volksvertretungen sind die Grundlage des Systems der
Staatsorgane. Sie stützen sich in ihrer Tätigkeit auf die aktive
Mitgestaltung der Bürger an der Vorbereitung, Durchführung und
Kontrolle ihrer Entscheidungen.
(3) Zu keiner Zeit und unter keinen Umstanden können andere als die
verfassungsmäßig vorgesehenen Organe staatliche Macht ausüben.
Artikel 6
(1) Die Deutsche Demokratische Republik hat getreu den Interessen des
Volkes und den internationalen Verpflichtungen auf ihrem Gebiet den
deutschen Militarismus und Nazismus ausgerottet. Sie betreibt eine dem
Sozialismus und dem Frieden, der Völkerverständigung und der
Sicherheit dienende Außenpolitik.
(2) Die Deutsche Demokratische Republik ist für immer und
unwiderruflich mit der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken
verbündet. Das enge und brüderliche Bündnis mit ihr garantiert dem
Volk der Deutschen Demokratischen Republik das weitere Voranschreiten
auf dem Wege des Sozialismus und des Friedens.
Die Deutsche Demokratische Republik ist untrennbarer Bestandteil der sozialistischen
Staatengemeinschaft. Sie trägt getreu den Prinzipien des
sozialistischen Internationalismus zu ihrer Stärkung bei, pflegt und
entwickelt die Freundschaft, die allseitige Zusammenarbeit und den
gegenseitigen Beistand mit allen Staaten der sozialistischen
Gemeinschaft.
(3) Die Deutsche Demokratische Republik unterstützt die Staaten und
Völker, die gegen den Imperialismus und sein Kolonialregime, für
nationale Freiheit und Unabhängigkeit kämpfen, in ihrem Ringen um
gesellschaftlichen Fortschritt. Die Deutsche Demokratische Republik
tritt für die Verwirklichung der Prinzipien der friedlichen Koexistenz
von Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnung ein und pflegt auf
der Grundlage der Gleichberechtigung und gegenseitigen Achtung die
Zusammenarbeit mit allen Staaten.
(4) Die Deutsche Demokratische Republik setzt sich für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa, für eine stabile Friedensordnung in der Welt
und für die allgemeine Abrüstung ein.
(5) Militaristische und revanchistische Propaganda in jeder Form,
Kriegshetze und Bekundung von Glaubens-, Rassen- und Völkerhaß werden
als Verbrechen geahndet.
Artikel 7
(1) Die Staatsorgane gewährleisten die territoriale Integrität der
Deutschen Demokratischen Republik und die Unverletzlichkeit ihrer
Staatsgrenzen einschließlich ihres Luftraumes und ihrer
Territorialgewässer sowie den Schutz und die Nutzung ihres
Festlandsockels.
(2) Die Deutsche Demokratische Republik organisiert die
Landesverteidigung sowie den Schutz der sozialistischen Ordnung und des
friedlichen Lebens der Bürger. Die Nationale Volksarmee und die anderen
Organe der Landesverteidigung schützen die sozialistischen
Errungenschaften des Volkes gegen alle Angriffe von außen. Die
Nationale Volksarmee pflegt im Interesse der Wahrung des Friedens und
der Sicherung des sozialistischen Staates enge Waffenbrüderschaft mit
den Armeen der Sowjetunion und anderer sozialistischer Staaten.
Artikel 8
(1) Die allgemein anerkannten, dem Frieden und der friedlichen
Zusammenarbeit der Völker dienenden Regeln des Völkerrechts sind für
die Staatsmacht und jeden Bürger verbindlich.
(2) Die Deutsche Demokratische Republik wird niemals einen
Eroberungskrieg unternehmen oder ihre Streitkräfte gegen die Freiheit
eines anderen Volkes einsetzen.
Kapitel 2
Ökonomische Grundlagen, Wissenschaft, Bildung und Kultur
Artikel 9
(1) Die Volkswirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik beruht auf
dem sozialistischen Eigentum an den Produktionsmitteln. Sie entwickelt
sich gemäß den ökonomischen Gesetzen des Sozialismus auf der
Grundlage der sozialistischen Produktionsverhältnisse und der
zielstrebigen Verwirklichung der sozialistischen ökonomischen
Integration.
(2) Die Volkswirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik dient der
Stärkung der sozialistischen Ordnung, der ständig besseren
Befriedigung der materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Bürger,
der Entfaltung ihrer Persönlichkeit und ihrer sozialistischen
gesellschaftlichen Beziehungen.
(3) In der Deutschen Demokratischen Republik gilt der Grundsatz der
Leitung und Planung der Volkswirtschaft sowie aller anderen
gesellschaftlichen Bereiche. Die Volkswirtschaft der Deutschen
Demokratischen Republik ist sozialistische Planwirtschaft. Die zentrale
staatliche Leitung und Planung der Grundfragen der gesellschaftlichen
Entwicklung ist mit der Eigenverantwortung der örtlichen Staatsorgane
und Betriebe sowie der Initiative der Werktätigen verbunden.
(4) Die Festlegung des Währungs- und Finanzsystems ist Sache des
sozialistischen Staates. Abgaben und Steuern werden auf der Grundlage
von Gesetzen erhoben.
(5) Die Außenwirtschaft einschließlich des Außenhandels und der
Valutawirtschaft ist staatliches Monopol.
Artikel 10
(1) Das sozialistische Eigentum besteht als gesamtgesellschaftliches
Volkseigentum, als genossenschaftliches Gemeineigentum werktätiger
Kollektive sowie als Eigentum gesellschaftlicher Organisationen der
Bürger.
(2) Das Sozialistische Eigentum zu schützen und zu mehren ist Pflicht
des sozialistischen Staates und seiner Bürger.
Artikel 11
(1) Das persönliche Eigentum der Bürger und das Erbrecht sind
gewährleistet. Das persönliche Eigentum dient der Befriedigung der
materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Bürger.
(2) Die Rechte von Urhebern und Erfindern genießen den Schutz des
sozialistischen Staates.
(3) Der Gebrauch des Eigentums sowie von Urheber- und Erfinderrechten
darf den Interessen der Gesellschaft nicht zuwiderlaufen.
Artikel 12
(1) Die Bodenschätze, die Bergwerke, Kraftwerke, Talsperren und großen
Gewässer, die Naturreichtümer des Festlandsockels, Industriebetriebe,
Banken und Versicherungseinrichtungen, die volkseigenen Güter, die
Verkehrswege, die Transportmittel der Eisenbahn, der Seeschifffahrt
sowie der Luftfahrt, die Post- und Fernmeldeanlagen sind Volkseigentum.
Privateigentum daran ist unzulässig.
(2) Der sozialistische Staat gewährleistet die Nutzung des
Volkseigentums mit dem Ziel des höchsten Ergebnisses für die
Gesellschaft. Dem dienen die sozialistische Planwirtschaft und das
sozialistische Wirtschaftsrecht. Die Nutzung und Bewirtschaftung des Volkseigentums
erfolgt grundsätzlich durch die volkseigenen Betriebe und staatlichen
Einrichtungen Seine Nutzung und Bewirtschaftung kann der Staat durch
Verträge genossenschaftlichen oder gesellschaftlichen Organisationen
und Vereinigungen übertragen. Eine solche Übertragung hat den
Interessen der Allgemeinheit und der Mehrung des gesellschaftlichen
Reichtums zu dienen.
Artikel 13
Die Geräte, Maschinen, Anlagen, Bauten der landwirtschaftlichen,
handwerklichen und sonstigen sozialistischen Genossenschaften sowie die
Tierbestände der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und
das aus genossenschaftlicher Nutzung des Bodens sowie
genossenschaftlicher Produktionsmittel erzielte Ergebnis sind
genossenschaftliches Eigentum.
Artikel 14
(1) Privatwirtschaftliche Vereinigungen zur Begründung wirtschaftlicher
Macht sind nicht gestattet.
(2) Die auf überwiegend persönlicher Arbeit beruhenden kleinen
Handwerks- und anderen Gewerbebetriebe sind auf gesetzlicher Grundlage
tätig. In der Wahrnehmung ihrer Verantwortung für die sozialistische
Gesellschaft werden sie vom Staat gefördert.
Artikel 15
(1) Der Boden der Deutschen Demokratischen Republik gehört zu ihren
kostbarsten Naturreichtümern. Er muß geschützt und rationell genutzt
werden. Land- und forstwirtschaftlich genutzter Boden darf nur mit
Zustimmung der vorantwortlichen staatlichen Organe seiner
Zweckbestimmung entzogen werden.
(2) Im Interesse des Wohlergehens der Bürger sorgen Staat und
Gesellschaft für den Schutz der Natur. Die Reinhaltung der Gewässer
und der Luft sowie der Schutz der Pflanzen- und Tierwelt und der
landschaftlichen Schönheiten der Heimat sind durch die zuständigen
Organe zu gewährleisten und sind darüber hinaus auch Sache jedes
Bürgers.
Artikel 16
Enteignungen sind nur für gemeinnützige Zwecke auf gesetzlicher
Grundlage und gegen angemessene Entschädigung zulässig. Sie dürfen
nur erfolgen, wenn auf andere Weise der angestrebte gemeinnützige Zweck
nicht erreicht werden kann.
Artikel 17
(1) Die Deutsche Demokratische Republik fördert Wissenschaft, Forschung
und Bildung mit dem Ziel, die Gesellschaft und das Leben der Bürger zu
schützen und zu bereichern. Dem dient die Vereinigung der
wissenschaftlich-technischen Revolution mit den Vorzügen des
Sozialismus.
(2) Mit dem einheitlichen sozialistischen Bildungssystem sichert die
Deutsche Demokratische Republik allen Bürgern eine den ständig
steigenden gesellschaftlichen Erfordernissen entsprechende hohe Bildung.
Sie befähigt die Bürger, die sozialistische Gesellschaft zu gestalten
und an der Entwicklung der sozialistischen Demokratie schöpferisch
mitzuwirken.
(3) Jeder gegen den Frieden, die Völkerverständigung, gegen das Leben
und die Würde des Menschen gerichtete Missbrauch der Wissenschaft ist
verboten.
Artikel 18
(1) Die sozialistische Nationalkultur gehört zu den Grundlagen der
sozialistischen Gesellschaft. Die Deutsche Demokratische Republik
fördert und schützt die sozialistische Kultur, die dem Frieden, dem
Humanismus und der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft dient.
Sie bekämpft die imperialistische Unkultur, die der psychologischen
Kriegführung und der Herabwürdigung des Menschen dient. Die
sozialistische Gesellschaft fördert das kulturvolle Leben der
Werktätigen, pflegt alle humanistischen Werte des nationalen
Kulturerbes und der Weltkultur und entwickelt die sozialistische
Nationalkultur als Sache des ganzen Volkes.
(2) Die Förderung der Künste, der künstlerischen Interessen und
Fähigkeiten aller Werktätigen und die Verbreitung künstlerischer
Werke und Leistungen sind Obliegenheiten des Staates und aller
gesellschaftlichen Kräfte. Das künstlerische Sehaffen beruht auf einer
engen Verbindung der Kulturschaffenden mit dem Leben des Volkes.
(3) Körperkultur, Sport und Touristik als Elemente der sozialistischen
Kultur dienen der allseitigen körperlichen und geistigen Entwicklung
der Bürger.
Abschnitt II
Bürger und Gemeinschaften in der sozialistischen Gesellschaft
Artikel 19
(1) Die Deutsche Demokratische Republik garantiert allen Bürgern die
Ausübung ihrer Rechte und ihre Mitwirkung an der Leitung der
gesellschaftlichen Entwicklung. Sie gewährleistet die sozialistische
Gesetzlichkeit und Rechtssicherheit.
(2) Achtung und Schutz der Würde und Freiheit der Persönlichkeit sind
Gebot für alle staatlichen Organe, alle gesellschaftlichen Kräfte und
jeden einzelnen Bürger.
(3) Frei von Ausbeutung, Unterdrückung und wirtschaftlicher
Abhängigkeit hat jeder Bürger gleiche Rechte und vielfältige Möglichkeiten,
seine Fähigkeiten in vollem Umfange zu entwickeln und seine Kräfte aus
freiem Entschluss zum Wohle der Gesellschaft und zu seinem eigenen
Nutzen in der sozialistischen Gemeinschaft ungehindert zu entfalten. So
verwirklicht er Freiheit und Würde seiner Persönlichkeit. Die
Beziehungen der Bürger werden durch gegenseitige Achtung und Hilfe,
durch die Grundsätze sozialistischer Moral geprägt.
(4) Die Bedingungen für den Erwerb und den Verlust der Staatsbürgerschaft
der Deutsehen Demokratischen Republik werden durch Gesetz bestimmt.
Artikel 20
(1) Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat unabhängig
von seiner Nationalität, seiner Rasse, seinem weltanschaulichen oder
religiösen Bekenntnis, seiner sozialen Herkunft und Stellung die
gleichen Rechte und Pflichten. Gewissens- und Glaubensfreiheit sind
gewährleistet. Alle Bürger sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Mann und Frau sind gleichberechtigt und haben die gleiche
Rechtsstellung in allen Bereichen des gesellschaftlichen, staatlichen
und persönlichen Lebens. Die Förderung der Frau, besonders in der
beruflichen Qualifizierung, ist eine gesellschaftliche und staatliche
Aufgabe.
(3) Die Jugend wird in ihrer gesellschaftlichen und beruflichen
Entwicklung besonders gefördert. Sie hat alle Möglichkeiten, an der
Entwicklung der sozialistischen Gesellschaftsordnung verantwortungsbewusst
teilzunehmen.
Artikel 21
(1) Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht,
das politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben der
sozialistischen Gemeinschaft und des sozialistischen Staates umfassend
mitzugestalten. Es gilt der Grundsatz "Arbeite mit, plane mit,
regiere mit!".
(2) Das Recht auf Mitbestimmung und Mitgestaltung ist dadurch
gewährleistet, dass die Bürger
alle Machtorgane demokratisch wählen, an ihrer Tätigkeit und an der
Leitung, Planung und Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens mitwirken;
Rechenschaft von den Volksvertretungen, ihren Abgeordneten, den Leitern
staatlicher und wirtschaftlicher Organe über ihre Tätigkeit fordern
können;
mit der Autorität ihrer gesellschaftlichen Organisationen ihrem Wollen
und ihren Forderungen Ausdruck geben;
sich mit ihren Anliegen und Vorschlägen an die gesellschaftlichen,
staatlichen und wirtschaftlichen Organe und Einrichtungen wenden
können;
in Volksabstimmungen ihren Willen bekunden.
(3) Die Verwirklichung dieses Rechts der Mitbestimmung und Mitgestaltung
ist zugleich eine hohe moralische Verpflichtung für jeden Bürger.
Die Ausübung gesellschaftlicher oder staatlicher Funktionen findet die
Anerkennung und Unterstützung der Gesellschaft und des Staates.
Artikel 22
(1) Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik, der am Wahltage
das 18. Lebensjahr vollendet hat, ist wahlberechtigt.
(2) Jeder Bürger kann in die Volkskammer und in die örtlichen
Volksvertretungen gewählt werden, wenn er am Wahltage das 18.
Lebensjahr vollendet hat.
(3) Die Leitung der Wahlen durch demokratisch gebildete
Wahlkommissionen, die Volksaussprache über die Grundfragen der Politik
und die Aufstellung und Prüfung der Kandidaten durch die Wähler sind
unverzichtbare sozialistische Wahlprinzipien.
Artikel 23
(1) Der Schutz des Friedens und des sozialistischen Vaterlandes und
seiner Errungenschaften ist Recht und Ehrenpflicht der Bürger der
Deutschen Demokratischen Republik. Jeder Bürger ist zum Dienst und zu
Leistungen für die Verteidigung der Deutschen Demokratischen Republik
entsprechend den Gesetzen verpflichtet.
(2) Kein Bürger darf an kriegerischen Handlungen und ihrer Vorbereitung
teilnehmen, die der Unterdrückung eines Volkes dienen.
(3) Die Deutsche Demokratische Republik kann Bürgern anderer Staaten
oder Staatenlosen Asyl gewähren, wenn sie wegen politischer, wissenschaftlicher
oder kultureller Tätigkeit zur Verteidigung des Friedens, der
Demokratie, der Interessen des werktätigen Volkes oder wegen ihrer
Teilnahme am sozialen und nationalen Befreiungskampf verfolgt werden.
Artikel 24
(1) Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht
auf Arbeit. Er hat das Recht auf einen Arbeitsplatz und dessen freie
Wahl entsprechend den gesellschaftlichen Erfordernissen und der
persönlichen Qualifikation. Er hat das Recht auf Lohn nach Qualität
und Quantität der Arbeit. Mann und Frau, Erwachsene und Jugendliche
haben das Recht auf gleichen Lohn bei gleicher Arbeitsleistung.
(2) Gesellschaftlich nützliche Tätigkeit ist eine ehrenvolle Pflicht
für jeden arbeitsfähigen Bürger. Das Recht auf Arbeit und die Pflicht
zur Arbeit bilden eine Einheit.
(3) Das Recht auf Arbeit wird gewährleistet durch das sozialistische
Eigentum an den Produktionsmitteln; durch die sozialistische Leitung und
Planung des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses; durch das stetige
und planmäßige Wachstum der sozialistischen Produktivkräfte und der
Arbeitsproduktivität; durch die konsequente Durchführung der
wissenschaftlich-technischen Revolution; durch ständige Bildung und
Weiterbildung der Bürger und durch das einheitliche sozialistische
Arbeitsrecht.
Artikel 25
(1) Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das gleiche
Recht auf Bildung. Die Bildungsstätten stehen jedermann offen. Das
einheitliche sozialistische Bildungssystem gewährleistet jedem Bürger
eine kontinuierliche sozialistische Erziehung. Bildung und
Weiterbildung.
(2) Die Deutsche Demokratische Republik sichert das Voranschreiten des
Volkes zur sozialistischen Gemeinschaft allseitig gebildeter und
harmonisch entwickelter Menschen, die vom Geist des sozialistischen
Patriotismus und Internationalismus durchdrungen sind und über eine
hohe Allgemeinbildung und Spezialbildung verfügen.
(3) Alle Bürger haben das Recht auf Teilnahme am kulturellen Leben. Es
erlangt unter den Bedingungen der wissenschaftlich-technischen
Revolution und der Erhöhung der geistigen Anforderungen wachsende
Bedeutung. Zur vollständigen Ausprägung der sozialistischen
Persönlichkeit und zur wachsenden Befriedigung der kulturellen
Interessen und Bedürfnisse wird die Teilnahme der Bürger am
kulturellen Leben, an der Körperkultur und am Sport durch den Staat und
die Gesellschaft gefördert.
(4) In der Deutschen Demokratischen Republik besteht allgemeine
zehnjährige Oberschulpflicht, die durch den Besuch der zehnklassigen
allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule zu erfüllen ist. In
bestimmten Fällen kann die Oberschulbildung in den Einrichtungen der
Berufsausbildung oder der Aus- und Weiterbildung der Werktätigen
beendet werden. Alle Jugendlichen haben das Recht und die Pflicht. einen
Beruf zu erlernen.
(5) Für Kinder und Erwachsene mit psychischen und physischen
Schädigungen bestehen Sonderschul- und -ausbildungseinrichtungen.
(6) Die Lösung dieser Aufgaben wird durch den Staat und alle
gesellschaftlichen Kräfte in gemeinsamer Bildungs- und Erziehungsarbeit
gesichert.
Artikel 26
(1) Der Staat sichert die Möglichkeit des Übergangs zur
nächsthöheren Bildungsstufe bis zu den höchsten Bildungsstätten, den
Universitäten und Hochschulen, entsprechend dem Leistungsprinzip, den
gesellschaftlichen Erfordernissen und unter Berücksichtigung der
sozialen Struktur der Bevölkerung.
(2) Es besteht Schulgeldfreiheit. Ausbildungsbeihilfen und
Lernmittelfreiheit werden nach sozialen Gesichtspunkten gewährt.
(3) Direktstudenten an den Universitäten, Hoch- und Fachschulen sind
von Studiengebühren befreit.
Stipendien und Studienbeihilfen werden nach sozialen Gesichtspunkten und
nach Leistung gewährt.
Artikel 27
(1) Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht,
den Grundsätzen dieser Verfassung gemäß seine Meinung frei und
öffentlich zu äußern. Dieses Recht wird durch kein Dienst- oder
Arbeitsverhältnis beschränkt. Niemand darf benachteiligt werden, wenn
er von diesem Recht Gebrauch macht.
(2) Die Freiheit der Presse, des Rundfunks und des Fernsehens ist
gewährleistet.
Artikel 28
(1) Alle Bürger haben das Recht, sich im Rahmen der Grundsätze und
Ziele der Verfassung friedlich zu versammeln.
(2) Die Nutzung der materiellen Voraussetzungen zur unbehinderten
Ausübung dieses Rechts, der Versammlungsgebäude, Straßen und
Kundgebungsplätze, Druckereien und Nachrichtenmittel wird
gewährleistet.
Artikel 29
Die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik haben das Recht auf
Vereinigung, um durch gemeinsames Handeln in politischen Parteien,
gesellschaftlichen Organisationen, Vereinigungen und Kollektiven ihre
Interessen in Übereinstimmung mit den Grundsätzen und Zielen der
Verfassung zu verwirklichen.
Artikel 30
(1) Die Persönlichkeit und Freiheit jedes Bürgers der Deutschen
Demokratischen Republik sind unantastbar.
(2) Einschränkungen sind nur im Zusammenhang mit strafbaren Handlungen
oder einer Heilbehandlung zulässig und müssen gesetzlich begründet
sein. Dabei dürfen die Rechte solcher Bürger nur insoweit
eingeschränkt werden, als dies gesetzlich zulässig und unumgänglich
ist.
(3) Zum Schutze seiner Freiheit und der Unantastbarkeit seiner
Persönlichkeit hat jeder Bürger den Anspruch auf die Hilfe der
staatlichen und gesellschaftlichen Organe.
Artikel 31
(1) Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzbar.
(2) Sie dürfen nur auf gesetzlicher Grundlage eingeschränkt werden,
wenn es die Sicherheit des sozialistischen Staates oder eine
strafrechtliche Verfolgung erfordern.
Artikel 32
Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat im Rahmen der
Gesetze und der SED das Recht auf Freizügigkeit innerhalb des
Staatsgebietes der Deutschen Demokratischen Republik.
Artikel 33
(1) Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat bei
Aufenthalt außerhalb der Deutschen Demokratischen Republik Anspruch auf
Rechtsschutz durch die Organe der Deutschen Demokratischen Republik.
(2) Kein Bürger der Deutschen Demokratischen Republik darf einer
auswärtigen Macht ausgeliefert werden.
Artikel 34
(1) Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht
auf Freizeit und Erholung.
(2) Das Recht auf Freizeit und Erholung wird gewährleistet
durch die gesetzliche Begrenzung der täglichen und wöchentlichen
Arbeitszeit,
durch einen vollbezahlten Jahresurlaub und
durch den planmäßigen Ausbau des Netzes volkseigener und anderer
gesellschaftlicher Erholungs- und Urlaubszentren.
Artikel 35
(1) Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht
auf Schutz seiner Gesundheit und seiner Arbeitskraft.
(2) Dieses Recht wird durch die planmäßige Verbesserung der Arbeits-
und Lebensbedingungen, die Pflege der Volksgesundheit, eine umfassende
Sozialpolitik, die Förderung der Körperkultur, des Schul- und
Volkssports und der Touristik gewährleistet.
(3) Auf der Grundlage eines sozialen Versicherungssystems werden bei
Krankheit und Unfällen materielle Sicherheit, unentgeltliche ärztliche
Hilfe, Arzneimittel und andere medizinische Sachleistungen gewährt.
Artikel 36
(1) Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht
auf Fürsorge der Gesellschaft im Alter und bei Invalidität.
(2) Dieses Recht wird durch eine steigende materielle, soziale und
kulturelle Versorgung und Betreuung alter und arbeitsunfähiger Bürger
gewährleistet.
Artikel 37
(1) Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht
auf Wohnraum für sich und seine Familie entsprechend den
volkswirtschaftlichen Möglichkeiten und örtlichen Bedingungen. Der
Staat ist verpflichtet, dieses Recht durch die Förderung des
Wohnungsbaus, die Werterhaltung vorhandenen Wohnraumes und die
öffentliche Kontrolle über die gerechte Verteilung des Wohnraumes zu
verwirklichen.
(2) Es besteht Rechtsschutz bei Kündigungen.
(3) Jeder Bürger hat das Recht auf Unverletzbarkeit seiner Wohnung.
Artikel 38
(1) Ehe, Familie und Mutterschaft stehen unter dem besonderen Schutz des
Staates.
Jeder Bürger der Deutsehen Demokratischen Republik hat das Recht auf
Achtung. Schutz und Förderung seiner Ehe und Familie.
(2) Dieses Recht wird durch die Gleichberechtigung von Mann und Frau in
Ehe und Familie, durch die gesellschaftliche und staatliche
Unterstützung der Bürger bei der Festigung und Entwicklung ihrer Ehe
und Familie gewährleistet. Kinderreichen Familien, alleinstehenden
Müttern und Vätern gilt die Fürsorge und Unterstützung des
sozialistischen Staates durch besondere Maßnahmen.
(3) Mutter und Kind genießen den besonderen Schutz des sozialistischen
Staates. Schwangerschaftsurlaub, spezielle medizinische Betreuung,
materielle und finanzielle Unterstützung bei Geburten und Kindergeld
werden gewährt.
(4) Es ist das Recht und die vornehmste Pflicht der Eltern, ihre Kinder
zu gesunden und lebensfrohen, tüchtigen und allseitig gebildeten
Menschen, zu staatsbewussten Bürgern zu erziehen. Die Eltern haben
Anspruch auf ein enges und vertrauensvolles Zusammenwirken mit den
gesellschaftlichen und staatlichen Erziehungs- und Bildungseinrichtungen.
Artikel 39
(1) Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht,
sich zu einem religiösen Glauben zu bekennen und religiöse Handlungen
auszuüben.
(2) Die Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften ordnen ihre
Angelegenheiten und üben ihre Tätigkeit aus in Übereinstimmung mit
der Verfassung und den gesetzlichen Bestimmungen der Deutschen
Demokratischen Republik. Näheres kann durch Vereinbarungen geregelt
werden.
Artikel 40
Bürger der Deutschen Demokratischen Republik sorbischer Nationalität
haben das Recht zur Pflege ihrer Muttersprache und Kultur. Die Ausübung
dieses Rechts wird vom Staat gefördert.
Artikel 41
Die sozialistischen Betriebe, Städte, Gemeinden und Gemeindeverbände
sind im Rahmen der zentralen staatlichen Leitung und Planung
eigenverantwortliche Gemeinschaften, in denen die Bürger arbeiten und
ihre gesellschaftlichen Verhältnisse gestalten. Sie sichern die
Wahrnehmung der Grundrechte der Bürger, die wirksame Verbindung der
persönlichen mit den gesellschaftlichen Interessen sowie ein
vielfältiges gesellschaftlich-politisches und kulturell-geistiges
Leben. Sie stehen unter dem Schutz der Verfassung. Eingriffe in ihre
Rechte können nur auf der Grundlage von Gesetzen erfolgen.
Artikel 42
(1) Im Betrieb, dessen Tätigkeit die Grundlage für die Schaffung und
Mehrung des gesellschaftlichen Reichtums ist, wirken die Werktätigen
unmittelbar und mit Hilfe ihrer gewählten Organe an der Leitung mit.
Näheres regeln Gesetze oder Statuten.
(2) Zur Erhöhung der gesellschaftlichen Produktivität können von den
staatlichen Organen, den Betrieben und Genossenschaften Vereinigungen
und Gesellschaften gebildet sowie andere Formen der kooperativen
Zusammenarbeit entwickelt werden
Artikel 43
(1) Die Städte, Gemeinden und Gemeindeverbände der Deutschen
Demokratischen Republik gestalten die notwendigen Bedingungen für eine
ständig bessere Befriedigung der materiellen, sozialen, kulturellen und
sonstigen gemeinsamen Bedürfnisse der Bürger. Zur Lösung dieser
Aufgaben arbeiten sie mit den Betrieben und Genossenschaften ihres
Gebietes zusammen. Alle Bürger nehmen daran durch die Ausübung ihrer
politischen Rechte teil.
(2) Die Verantwortung für die Verwirklichung der gesellschaftlichen
Funktion der Städte und Gemeinden obliegt den von den Bürgern
gewählten Volksvertretungen. Sie entscheiden eigenverantwortlich auf
der Grundlage der Gesetze über ihre Angelegenheiten. Sie tragen die
Verantwortung für die rationelle Nutzung aller Werte des
Volksvermögens, über die sie verfügen.
Artikel 44
(1) Die freien Gewerkschaften, vereinigt im Freien Deutschen
Gewerkschaftsbund, sind die umfassende Klassenorganisation der
Arbeiterklasse. Sie nehmen die Interessen der Arbeiter, Angestellten und
Angehörigen der Intelligenz durch umfassende Mitbestimmung in Staat,
Wirtschaft und Gesellschaft wahr.
(2) Die Gewerkschaften sind unabhängig. Niemand darf sie in ihrer
Tätigkeit einschränken oder behindern.
(3) Die Gewerkschaften nehmen durch die Tätigkeit ihrer Organisationen
und Organe, durch ihre Vertreter in den gewählten staatlichen
Machtorganen und durch ihre Vorschläge an die staatlichen und
wirtschaftlichen Organe maßgeblich teil
an der Gestaltung der sozialistischen Gesellschaft,
an der Leitung und Planung der Volkswirtschaft,
an der Verwirklichung der wissenschaftlich-technischen Revolution,
an der Entwicklung der Arbeits- und Lebensbedingungen, des Gesundheits-
und Arbeitsschutzes, der Arbeitskultur, des kulturellen und sportlichen
Lebens der Werktätigen.
Die Gewerkschaften arbeiten in den Betrieben und Institutionen an der
Ausarbeitung der Pläne mit. Sie leiten die Ständigen
Produktionsberatungen.
Artikel 45
(1) Die Gewerkschaften haben das Recht, über alle die Arbeits- und
Lebensbedingungen der Werktätigen betreffenden Fragen mit staatlichen
Organen, mit Betriebsleitungen und anderen wirtschaftsleitenden Organen
Vereinbarungen abzuschließen.
(2) Die Gewerkschaften nehmen aktiven Anteil an der Gestaltung der
sozialistischen Rechtsordnung. Sie besitzen das Recht der
Gesetzesinitiative sowie der gesellschaftlichen Kontrolle über die
Wahrung der gesetzlich garantierten Rechte der Werktätigen.
(3) Die Gewerkschaften leiten die Sozialversicherung der Arbeiter und
Angestellten auf der Grundlage der Selbstverwaltung der Versicherten.
Sie nehmen an der umfassenden materiellen und finanziellen Versorgung
und Betreuung der Bürger bei Krankheit, Arbeitsunfall, Invalidität und
im Alter teil.
(4) Alle Staatsorgane und Wirtschaftsleiter sind verpflichtet, für eine
enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften Sorge zu
tragen.
Kapitel 4
Die sozialistischen Produktionsgenossenschaften und ihre Rechte
Artikel 46
(1) Die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften sind die
freiwilligen Vereinigungen der Bauern zur gemeinsamen sozialistischen
Produktion, zur ständig besseren Befriedigung ihrer materiellen und
kulturellen Bedürfnisse und zur Versorgung des Volkes und der
Volkswirtschaft. Sie gestalten auf der Grundlage der Gesetze
eigenverantwortlich ihre Arbeits- und Lebensbedingungen.
(2) Durch ihre Organisationen und ihre Vertreter in den Staatsorganen
nehmen die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften aktiv an der
staatlichen Leitung und Planung der gesellschaftlichen Entwicklung teil.
(3) Der Staat hilft den landwirtschaftlichen
Produktionsgenossenschaften, die sozialistische Großproduktion auf der
Grundlage fortgeschrittener Wissenschaft und Technik zu entwickeln.
(4) Für die sozialistischen Produktionsgenossenschaften der Fischer,
der Gärtner und der Handwerker gelten die gleichen Grundsätze.
Artikel 47
(1) Der Aufbau und die Tätigkeit der staatlichen Organe werden durch
die in dieser Verfassung festgelegten Ziele und Aufgaben der Staatsmacht
bestimmt.
(2) Die Souveränität des werktätigen Volkes, verwirklicht auf der
Grundlage des demokratischen Zentralismus, ist das tragende Prinzip des
Staatsaufbaus.
Artikel 48
(1) Die Volkskammer ist das oberste staatliche Machtorgan der Deutschen
Demokratischen Republik. Sie entscheidet in ihren Plenarsitzungen über
die Grundfragen der Staatspolitik.
(2) Die Volkskammer ist das einzige verfassungs- und gesetzgebende Organ
in der Deutschen Demokratischen Republik. Niemand kann ihre Rechte
einschränken.
Die Volkskammer verwirklicht in ihrer Tätigkeit den Grundsatz der
Einheit von Beschlussfassung und Durchführung.
Artikel 49
(1) Die Volkskammer bestimmt durch Gesetze und Beschlüsse endgültig
und für jedermann verbindlich die Ziele der Entwicklung der Deutschen
Demokratischen Republik.
(2) Die Volkskammer legt die Hauptregeln für das Zusammenwirken der
Bürger, Gemeinschaften und Staatsorgane sowie deren Aufgaben bei der
Durchführung der staatlichen Pläne der gesellschaftlichen Entwicklung
fest.
(3) Die Volkskammer gewährleistet die Verwirklichung ihrer Gesetze und
Beschlüsse. Sie bestimmt die Grundsätze der Tätigkeit des
Staatsrates, des Ministerrates, des Nationalen Verteidigungsrates, des
Obersten Gerichts und des Generalstaatsanwalts.
Artikel 50
Die Volkskammer wählt den Vorsitzenden und die Mitglieder des
Staatsrates, den Vorsitzenden und die Mitglieder des Ministerrates, den
Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates, den Präsidenten und die
Richter des Obersten Gerichts und den Generalstaatsanwalt. Sie können
jederzeit von der Volkskammer abberufen werden.
Artikel 51
Die Volkskammer bestätigt Staatsverträge der Deutschen Demokratischen
Republik und andere völkerrechtliche Verträge, soweit durch sie
Gesetze der Volkskammer geändert werden. Sie entscheidet über die
Kündigung dieser Verträge.
Artikel 52
Die Volkskammer beschließt über den Verteidigungszustand der Deutschen
Demokratischen Republik. Im Dringlichkeitsfalle ist der Staatsrat
berechtigt. Den Verteidigungszustand zu beschließen. Der Vorsitzende
des Staatsrates verkündet den Verteidigungszustand.
Artikel 53
Die Volkskammer kann die Durchführung von Volksabstimmungen
beschließen.
Artikel 54
Die Volkskammer besteht aus 500 Abgeordneten, die vom Volke auf die
Dauer von 5 Jahren in freier, allgemeiner, gleicher und geheimer Wahl
gewählt werden.
Artikel 55
(1) Die Volkskammer wählt für die Dauer der Wahlperiode ein
Präsidium.
Das Präsidium besteht aus dem Präsidenten der Volkskammer, einem
Stellvertreter des Präsidenten und weiteren Mitgliedern.
(2) Das Präsidium leitet die Arbeit der Volkskammer gemäß ihrer
Geschäftsordnung.
Artikel 56
(1) Die Abgeordneten der Volkskammer erfüllen ihre verantwortungsvollen
Aufgaben im Interesse und zum Wohle des gesamten Volkes.
(2) Die Abgeordneten fördern die Mitwirkung der Bürger an der
Vorbereitung und Verwirklichung der Gesetze in Zusammenarbeit mit den
Ausschüssen der Nationalen Front der Deutschen Demokratischen Republik,
den gesellschaftlichen Organisationen und den staatlichen Organen.
(3) Die Abgeordneten halten enge Verbindung zu ihren Wählern. Sie sind
verpflichtet, deren Vorschläge, Hinweise und Kritiken zu beachten und
für eine gewissenhafte Behandlung Sorge zu tragen.
(4) Die Abgeordneten erläutern den Bürgern die Politik des
sozialistischen Staates.
Artikel 57
(1) Die Abgeordneten der Volkskammer sind verpflichtet, regelmäßig
Sprechstunden und Aussprachen durchzuführen sowie den Wählern über
ihre Tätigkeit Rechenschaft zu legen.
(2) Ein Abgeordneter, der seine Pflichten gröblich verletzt, kann von
den Wählern gemäß dem gesetzlich festgelegten Verfahren abberufen
werden.
Artikel 58
Die Abgeordneten der Volkskammer haben das Recht, an den Tagungen der
örtlichen Volksvertretungen mit beratender Stimme teilzunehmen.
Artikel 59
Jeder Abgeordnete der Volkskammer hat das Recht, Anfragen an den
Ministerrat und jedes seiner Mitglieder zu richten.
Artikel 60
(1) Alle staatlichen und wirtschaftlichen Organe sind verpflichtet, die
Abgeordneten bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu unterstützen.
(2) Die Abgeordneten der Volkskammer besitzen die Rechte der Immunität.
Beschränkungen der persönlichen Freiheit, Hausdurchsuchungen,
Beschlagnahmen oder Strafverfolgungen sind gegen Abgeordnete der
Volkskammer nur mit Zustimmung der Volkskammer oder in der Zeit zwischen
ihren Tagungen mit Zustimmung des Staatsrates zulässig. Die
Entscheidung des Staatsrates bedarf der Bestätigung durch die
Volkskammer.
Die Abgeordneten der Volkskammer sind berechtigt, über Personen, die
ihnen in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete Tatsachen anvertrauen oder
denen sie in Ausübung ihrer Abgeordnetentätigkeit solche Tatsachen
anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst die Aussage zu
verweigern.
(3) Den Abgeordneten dürfen aus ihrer Abgeordnetentätigkeit keinerlei
berufliche oder sonstige persönliche Nachteile entstehen. Sie sind von
ihrer beruflichen Tätigkeit freigestellt, soweit die Wahrnehmung ihrer
Aufgaben als Abgeordnete es erfordert. Gehälter und Löhne sind
weiterzuzahlen.
Artikel 61
(1) Die Volkskammer bildet aus ihrer Mitte Ausschüsse. Ihnen obliegt in
enger Zusammenarbeit mit den Wählern die Beratung von Gesetzentwürfen
und die ständige Kontrolle der Durchführung der Gesetze.
(2) Die Ausschüsse können die Anwesenheit der zuständigen Minister
und Leiter anderer staatlicher Organe in ihren Beratungen zum Zwecke der
Erteilung von Auskünften verlangen. Alle Staatsorgane sind
verpflichtet, den Ausschüssen die erforderliehen Informationen zu
erteilen.
(3) Die Ausschüsse haben das Recht, Fachleute zur ständigen oder
zeitweiligen Mitarbeit heranzuziehen.
Artikel 62
(1) Die Volkskammer tritt spätestens am 30.Tage nach ihrer Wahl
zusammen. Ihre erste Tagung wird vom Staatsrat einberufen.
(2) Die weiteren Tagungen der Volkskammer werden vom Präsidium der
Volkskammer einberufen.
(3) Das Präsidium der Volkskammer ist verpflichtet, die Volkskammer
einzuberufen, wenn die Volkskammer darüber Beschluss gefasst hat oder
mindestens ein Drittel der Abgeordneten es verlangt.
(4) Die Tagungen der Volkskammer sind öffentlich. Auf Antrag von
mindestens zwei Dritteln der anwesenden Abgeordneten kann die
Öffentlichkeit ausgeschlossen werden.
Artikel 63
(1) Die Volkskammer ist beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte der
Abgeordneten anwesend ist.
(2) Die Volkskammer fasst ihre Beschlüsse mit Stimmenmehrheit.
Verfassungsändernde Gesetze sind beschlossen, wenn mindestens zwei
Drittel der gewählten Abgeordneten zustimmen.
Artikel 64
(1) Vor Ablauf der Wahlperiode findet eine Auflösung der Volkskammer
nur durch eigenen Beschluss statt.
(2) Ein solcher Beschluss bedarf der Zustimmung von mindestens zwei
Dritteln der gewählten Abgeordneten.
(3) Spätestens am 60. Tage nach Ablauf der Wahlperiode oder am 45. Tage
nach Auflösung der Volkskammer muss deren Neuwahl stattfinden.
Artikel 65
(1) Das Recht zur Einbringung von Gesetzesvorlagen haben die
Abgeordneten der in der Volkskammer vertretenen Parteien und
Massenorganisationen, die Ausschüsse der Volkskammer, der Staatsrat,
der Ministerrat und der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund.
(2) Die Ausschüsse der Volkskammer beraten die Gesetzesvorlagen und
legen ihre Auffassung dem Plenum der Volkskammer vor.
(3) Entwürfe grundlegender Gesetze werden vor ihrer Verabschiedung der
Bevölkerung zur Erörterung unterbreitet. Die Ergebnisse der
Volksdiskussion sind bei der endgültigen Fassung auszuwerten.
(4) Die von der Volkskammer verabschiedeten Gesetze werden vom
Vorsitzenden des Staatsrates innerhalb eines Monats im Gesetzblatt
verkündet.
(5) Gesetze treten am 14. Tage nach ihrer Verkündung in Kraft, soweit
sie nichts anderes bestimmen.
Artikel 66
(1) Der Staatsrat nimmt als Organ der Volkskammer die Aufgaben wahr, die
ihm durch die Verfassung sowie die Gesetze und Beschlüsse der
Volkskammer übertragen sind. Er ist der Volkskammer für seine
Tätigkeit verantwortlich. Zur Durchführung der ihm übertragenen
Aufgaben fasst er Beschlüsse.
(2) Der Staatsrat vertritt die Deutsche Demokratische Republik
völkerrechtlich. Er ratifiziert und kündigt Staatsverträge und andere
völkerrechtliche Verträge für die die Ratifizierung vorgesehen ist.
Artikel 67
(1) Der Staatsrat besteht aus dem Vorsitzenden, seinen Stellvertretern,
den Mitgliedern und dem Sekretär.
(2) Der Vorsitzende, die Stellvertreter des Vorsitzenden, die Mitglieder
und der Sekretär des Staatsrates werden von der Volkskammer auf ihrer
ersten Tagung nach der Neuwahl auf die Dauer von 5 Jahren gewählt.
(3) Der Vorschlag für die Wahl des Vorsitzenden des Staatsrates wird
von der stärksten Fraktion der Volkskammer unterbreitet.
(4) Nach Ablauf der Wahlperiode der Volkskammer setzt der Staatsrat
seine Tätigkeit bis zur Wahl des neuen Staatsrates durch die
Volkskammer fort.
Artikel 68
Der Vorsitzende, die Stellvertreter des Vorsitzenden, die Mitglieder und
der Sekretär des Staatsrates leisten bei ihrem Amtsantritt der
Volkskammer folgenden Eid:
"Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des Volkes der
Deutschen Demokratischen Republik widmen, ihre Verfassung und die
Gesetze wahren, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit
gegenüber jedermann üben werde."
Artikel 69
Der Vorsitzende leitet die Arbeit des Staatsrates. Im Falle seiner
Verhinderung nimmt ein beauftragter Stellvertreter des Vorsitzenden des
Staatsrates diese Aufgabe wahr.
Artikel 70
Im Auftrage der Volkskammer unterstützt der Staatsrat die örtlichen
Volksvertretungen als Organe der einheitlichen sozialistischen
Staatsmacht, fördert deren demokratische Aktivität bei der Gestaltung
der entwickelten sozialistischen Gesellschaft und nimmt Einfluss auf die
Wahrung sowie die ständige Festigung der sozialistischen Gesetzlichkeit
in der Tätigkeit der örtlichen Volksvertretungen.
Artikel 71
(1) Der Vorsitzende des Staatsrates ernennt die bevollmächtigten
Vertreter der Deutschen Demokratischen Republik in anderen Staaten und
beruft sie ab. Er nimmt Beglaubigungs- und Abberufungsschreiben der bei
ihm akkreditierten Vertreter anderer Staaten entgegen.
(2) Der Staatsrat legt die militärischen Dienstgrade, die
diplomatischen Ränge und andere spezielle Titel fest.
Artikel 72
Der Staatsrat schreibt die Wahlen zur Volkskammer und zu den anderen
Volksvertretungen aus.
Artikel 73
(1) Der Staatsrat fasst grundsätzliche Beschlüsse zu Fragen der
Verteidigung und Sicherheit des Landes. Er organisiert die
Landesverteidigung mit Hilfe des Nationalen Verteidigungsrates.
(2) Der Staatsrat beruft die Mitglieder des Nationalen
Verteidigungsrates. Der Nationale Verteidigungsrat ist der Volkskammer
und dem Staatsrat für seine Tätigkeit verantwortlich.
Artikel 74
(1) Der Staatsrat nimmt im Auftrage der Volkskammer die ständige
Aufsicht über die Verfassungsmäßigkeit und Gesetzlichkeit der
Tätigkeit des Obersten Gerichts und des Generalstaatsanwalts wahr.
(2) Der Staatsrat übt das Amnestie- und Begnadigungsrecht aus.
Artikel 75
Der Staatsrat stiftet staatliche Orden, Auszeichnungen und Ehrentitel,
die von seinem Vorsitzenden verliehen werden.
Artikel 76
(1) Der Ministerrat ist als Organ der Volkskammer die Regierung der
Deutschen Demokratischen Republik. Er leitet im Auftrage der Volkskammer
die einheitliche Durchführung der Staatspolitik und organisiert die
Erfüllung der politischen, ökonomischen, kulturellen und sozialen
sowie der ihm übertragenen Verteidigungsaufgaben. Für seine Tätigkeit
ist er der Volkskammer verantwortlich und rechenschaftspflichtig.
(2) Der Ministerrat leitet die Volkswirtschaft und die anderen gesellschaftlichen
Bereiche. Er sichert die planmäßige proportionale Entwicklung der
Volkswirtschaft, die harmonisch abgestimmte Gestaltung der gesellschaftlichen
Bereiche und Territorien sowie die Verwirklichung der sozialistischen
ökonomischen Integration.
(3) Der Ministerrat leitet die Durchführung der Außenpolitik der
Deutschen Demokratischen Republik entsprechend den Grundsätzen dieser
Verfassung. Er vertieft die allseitige Zusammenarbeit mit der Union der
Sozialistischen Sowjetrepubliken und den anderen sozialistischen Staaten
und gewährleistet den aktiven Beitrag der Deutschen Demokratischen
Republik zur Stärkung der sozialistischen Staatengemeinschaft.
(4) Der Ministerrat entscheidet entsprechend seiner Zuständigkeit über
den Abschluss und die Kündigung völkerrechtlicher Verträge. Er
bereitet Staatsverträge vor.
Artikel 77
Der Ministerrat arbeitet die zu lösenden Aufgaben der staatlichen
Innen- und Außenpolitik aus und unterbreitet der Volkskammer Entwürfe
von Gesetzen und Beschlüssen.
Artikel 78
(1) Der Ministerrat leitet, koordiniert und kontrolliert die Tätigkeit
der Ministerien, der anderen zentralen Staatsorgane und der Räte der
Bezirke. Er fördert die Anwendung wissenschaftlicher Leitungsmethoden
und die Einbeziehung der Werktätigen in die Verwirklichung der Politik
des sozialistischen Staates. Er gewährleistet, daß die ihm
unterstellten staatlichen Organe, die wirtschaftsleitenden Organe,
Kombinate, Betriebe und Einrichtungen ihre Tätigkeit auf der Grundlage
der Gesetze und anderen Rechtsvorschriften ausüben.
(2) Im Rahmen der Gesetze und Beschlüsse der Volkskammer erlässt der
Ministerrat Verordnungen und fasst Beschlüsse.
Artikel 79
(1) Der Ministerrat besteht aus dem Vorsitzenden des Ministerrates, den
Stellvertretern des Vorsitzenden und den Ministern.
(2) Der Vorsitzende des Ministerrates wird von der stärksten Fraktion
der Volkskammer vorgeschlagen und von der Volkskammer mit der Bildung
des Ministerrates beauftragt.
(3) Der Vorsitzende und die Mitglieder des Ministerrates werden nach der
Neuwahl der Volkskammer von ihr auf die Dauer von 5 Jahren gewählt.
(4) Der Vorsitzende und die Mitglieder des Ministerrates werden vom
Vorsitzenden des Staatsrates auf die Verfassung vereidigt.
Artikel 80
(1) Der Ministerrat ist ein kollektiv arbeitendes Organ. Für die
Tätigkeit des Ministerrates tragen alle seine Mitglieder die
Verantwortung. Jeder Minister leitet verantwortlich das ihm übertragene
Aufgabengebiet.
(2) Der Ministerrat bildet aus seiner Mitte das Präsidium des
Ministerrates.
(3) Der Vorsitzende des Ministerrates leitet den Ministerrat und das
Präsidium.
(4) Nach Ablauf der Wahlperiode der Volkskammer setzt der Ministerrat
seine Tätigkeit bis zur Wahl des neuen Ministerrates durch die
Volkskammer fort.
Artikel 81
(1) Die örtlichen Volksvertretungen sind die von den wahlberechtigten
Bürgern gewählten Organe der Staatsmacht in den Bezirken, Kreisen,
Städten, Stadtbezirken. Gemeinden und Gemeindeverbänden.
(2) Die örtlichen Volksvertretungen entscheiden auf der Grundlage der
Gesetze in eigener Verantwortung über alle Angelegenheiten, die ihr
Gebiet und seine Bürger betreffen. Sie organisieren die Mitwirkung der
Bürger an der Gestaltung des politischen, wirtschaftlichen, kulturellen
und sozialen Lebens und arbeiten mit den gesellschaftlichen
Organisationen der Werktätigen zusammen.
(3) Die Tätigkeit der örtlichen Volksvertretungen ist darauf
gerichtet,
das sozialistische Eigentum zu mehren und zu schützen. die Arbeits- und
Lebensbedingungen der Bürger ständig zu verbessern und das
gesellschaftliche und kulturelle Leben der Bürger und ihrer
Gemeinschaften zu fördern,
das sozialistische Staats- und Rechtsbewusstsein der Bürger zu heben
und die öffentliche Ordnung zu sichern, die sozialistische
Gesetzlichkeit zu festigen und die Rechte der Bürger zu wahren.
Artikel 82
(1) Die örtlichen Volksvertretungen fassen Beschlüsse, die für ihre
Organe und Einrichtungen sowie für die Volksvertretungen,
Gemeinschaften und Bürger ihres Gebietes verbindlich sind. Diese
Beschlüsse sind zu veröffentlichen.
(2) Die örtlichen Volksvertretungen haben eigene Einnahmen und
verfügen über ihre Verwendung.
Artikel 83
(1) Zur Wahrnehmung ihrer Verantwortung wählt jede örtliche
Volksvertretung ihren Rat und Kommissionen. Die Mitglieder des Rates
sollen nach Möglichkeit Abgeordnete sein. In die Kommissionen können
auch Mitglieder berufen werden die nicht Abgeordnete sind.
(2) Der Rat sichert die Entfaltung der Tätigkeit der Volksvertretung
und organisiert die Leitung der gesellschaftlichen Entwicklung in deren
Verantwortungsbereich. Er ist der Volksvertretung für seine gesamte
Tätigkeit verantwortlich und dem übergeordneten Rat
rechenschaftspflichtig. Der Rat ist ein kollektiv arbeitendes Organ.
(3) Die Kommissionen organisieren die sachkundige Mitwirkung der Bürger
bei der Vorbereitung und Durchführung der Beschlüsse der
Volksvertretung. Sie kontrollieren die Durchführung der Gesetze und
anderen Rechtsvorschriften sowie der Beschlüsse der Volksvertretung durch
den Rat und dessen Fachorgane.
Artikel 84
Die örtlichen Volksvertretungen können zur gemeinsamen Wahrnehmung
ihrer Aufgaben Verbände bilden.
Artikel 85
Die Aufgaben und Befugnisse der örtlichen Volksvertretungen. ihrer
Abgeordneten, Kommissionen und ihrer Rechte in den Bezirken, Kreisen,
Städten, Stadtbezirken, Gemeinden und Gemeindeverbänden werden durch
Gesetz festgelegt.
Artikel 86
Die sozialistische Gesellschaft, die politische Macht des werktätigen
Volkes, ihre Staats- und Rechtsordnung sind die grundlegende Garantie
für die Einhaltung und die Verwirklichung der Verfassung im Geiste der
Gerechtigkeit, Gleichheit, Brüderlichkeit und Menschlichkeit.
Artikel 87
Gesellschaft und Staat gewährleisten die Gesetzlichkeit durch die
Einbeziehung der Bürger und ihrer Gemeinschaften in die Rechtspflege
und in die gesellschaftliche und staatliche Kontrolle über die
Einhaltung des sozialistischen Rechts.
Artikel 88
Die Verantwortlichkeit aller leitenden Mitarbeiter in Staat und
Wirtschaft gegenüber den Bürgern ist durch ein System der
Rechenschaftspflicht gewährleistet.
Artikel 89
(1) Gesetze und andere allgemeinverbindliche Rechtsvorschriften der
Deutschen Demokratischen Republik werden im Gesetzblatt und anderweitig
veröffentlicht.
(2) Rechtsvorschriften der örtlichen Volksvertretungen und ihrer Organe
werden in geeigneter Form veröffentlicht.
(3) Rechtsvorschriften dürfen der Verfassung nicht widersprechen. Über
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Rechtsvorschriften entscheidet
die Volkskammer
Artikel 90
(1) Die Rechtspflege dient der Durchführung der sozialistischen
Gesetzlichkeit, dem Schutz und der Entwicklung der Deutschen Demokratischen
Republik und ihrer Staats- und Gesellschaftsordnung. Sie schützt die
Freiheit, das friedliche Leben, die Rechte und die Würde der Menschen.
(2) Die Bekämpfung und Verhütung von Straftaten und anderen
Rechtsverletzungen sind gemeinsames Anliegen der sozialistischen
Gesellschaft, ihres Staates und aller Bürger.
(3) Die Teilnahme der Bürger an der Rechtspflege ist gewährleistet.
Sie wird im einzelnen durch Gesetz bestimmt.
Artikel 91
Die allgemein anerkannten Normen des Völkerrechts über die Bestrafung
von Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Menschlichkeit und von
Kriegsverbrechen sind unmittelbar geltendes Recht. Verbrechen dieser Art
unterliegen nicht der Verjährung.
Artikel 92
Die Rechtsprechung wird in der Deutschen Demokratischen Republik durch
das Oberste Gericht, die Bezirksgerichte, die Kreisgerichte und die
gesellschaftlichen Gerichte im Rahmen der ihnen durch Gesetz
übertragenen Aufgaben ausgeübt. In Militärstrafsachen üben das
Oberste Gericht, die Militärobergerichte und die Militärgerichte die
Rechtssprechung aus.
Artikel 93
(1) Das Oberste Gericht ist das höchste Organ der Rechtsprechung.
(2) Das Oberste Gericht leitet die Rechtsprechung der Gerichte auf der
Grundlage der Verfassung, der Gesetze und anderen Rechtsvorschriften der
Deutschen Demokratischen Republik. Es sichert die einheitliche Rechtsanwendung
durch alle Gerichte.
(3) Das Oberste Gericht ist der Volkskammer und zwischen ihren Tagungen
dem Staatsrat verantwortlich.
Artikel 94
(1) Richter kann nur sein, wer dem Volk und seinem sozialistischen Staat
treu ergeben ist und über ein hohes Maß an Wissen und Lebenserfahrung,
an menschlicher Reife und Charakterfestigkeit verfügt.
(2) Die demokratische Wahl aller Richter, Schöffen und Mitglieder
gesellschaftlicher Gerichte gewährleistet, daß die Rechtsprechung von
Frauen und Männern aller Klassen und Schichten des Volkes ausgeübt
wird.
Artikel 95
Alle Richter, Schöffen und Mitglieder der gesellschaftlichen Gerichte
werden durch die Volksvertretungen oder unmittelbar durch die Bürger
gewählt. Sie erstatten ihren Wählern Bericht über ihre Arbeit. Sie
können von ihren Wählern abberufen werden, wenn sie gegen die
Verfassung oder die Gesetze verstoßen oder sonst ihre Pflichten
gröblich verletzen.
Artikel 96
(1) Die Richter, Schöffen und Mitglieder der gesellschaftlichen
Gerichte sind in ihrer Rechtsprechung unabhängig. Sie sind nur an die
Verfassung, die Gesetze und anderen Rechtsvorschriften der Deutschen
Demokratischen Republik gebunden.
(2) Die Schöffen üben die Funktion eines Richters in vollem Umfang und
mit gleichem Stimmrecht wie die Berufsrichter aus.
Artikel 97
Zur Sicherung der sozialistischen Gesellschafts- und Staatsordnung und
der Rechte der Bürger wacht die Staatsanwaltschaft auf der Grundlage
der Gesetze und anderen Rechtsvorschriften der Deutschen Demokratischen
Republik über die strikte Einhaltung der sozialistischen
Gesetzlichkeit. Sie schützt die Bürger vor Gesetzesverletzungen. Die
Staatsanwaltschaft leitet den Kampf gegen Straftaten und sichert, daß
die Personen, die Verbrechen oder Vergehen begangen haben, vor Gericht
zur Verantwortung gezogen werden.
Artikel 98
(1) Die Staatsanwaltschaft wird vom Generalstaatsanwalt geleitet.
(2) Dem Generalstaatsanwalt unterstehen die Staatsanwälte der Bezirke
und Kreise sowie die Militärstaatsanwälte.
(3) Die Staatsanwälte werden vom Generalstaatsanwalt berufen und
abberufen, sie sind ihm verantwortlich und an seine Weisungen gebunden.
(4) Der Generalstaatsanwalt ist der Volkskammer und zwischen ihren
Tagungen dem Staatsrat verantwortlich.
Artikel 99
(1) Die strafrechtliche Verantwortlichkeit wird durch die Gesetze der
Deutschen Demokratischen Republik bestimmt.
(2) Eine Tat zieht strafrechtliche Verantwortlichkeit nur nach sich,
wenn diese zur Zeit der Begehung der Tat gesetzlich festgelegt ist, wenn
der Täter schuldhaft gehandelt hat und die Schuld zweifelsfrei
nachgewiesen ist. Strafgesetze haben keine rückwirkende Kraft.
(3) Eine strafrechtliche Verfolgung ist nur in Übereinstimmung mit den
Strafgesetzen möglich.
(4) Die Rechte des Bürgers dürfen im Zusammenhang mit einem
Strafverfahren nur insoweit eingeschränkt werden, wie dies gesetzlich
zulässig und unumgänglich ist.
Artikel 100
(1) Über die Zulässigkeit von Untersuchungshaft hat nur der Richter zu
entscheiden. Verhaftete sind spätestens am Tage nach ihrer Verhaftung
dem Richter vorzuführen.
(2) Der Richter oder der Staatsanwalt haben im Rahmen ihrer
Verantwortung jederzeit zu prüfen, ob die Voraussetzungen der
Untersuchungshaft noch vorliegen.
(3) Der Staatsanwalt hat nächste Angehörige des Verhafteten innerhalb
von 24 Stunden nach der ersten richterlichen Vernehmung zu
benachrichtigen.
Ausnahmen sind nur zulässig, wenn durch die Benachrichtigung der Zweck
der Untersuchung gefährdet wird. In diesen Fällen erfolgt die
Benachrichtigung nach Wegfall der Gefährdungsgründe.
Artikel 101
(1) Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.
(2) Ausnahmegerichte sind unstatthaft.
Artikel 102
(1) Jeder Bürger hat das Reeht, vor Gericht gehört zu werden.
(2) Das Recht auf Verteidigung wird während des gesamten
Strafverfahrens gewährleistet.
Artikel l 03
(l) Jeder Bürger kann sich mit Eingaben (Vorschlägen, Hinweisen,
Anliegen oder Beschwerden) an die Volksvertretungen, ihre Abgeordneten
oder die staatlichen und wirtschaftlichen Organe wenden. Dieses Recht
steht auch den gesellschaftlichen Organisationen und den Gemeinschaften
der Bürger zu. Ihnen darf aus der Wahrnehmung dieses Rechts kein
Nachteil entstehen.
(2) Die für die Entscheidung verantwortlichen Organe sind verpflichtet,
die Eingaben der Bürger oder der Gemeinschaften innerhalb der
gesetzlich vorgeschriebenen Frist zu bearbeiten und den Antragstellern
das Ergebnis mitzuteilen.
(3) Das Verfahren der Bearbeitung der Eingaben wird durch Gesetz
bestimmt.
Artikel 104
(1) Für Schäden, die einem Bürger oder seinem persönlichen Eigentum
durch ungesetzliche Maßnahmen von Mitarbeitern der Staatsorgane
zugefügt werden, haftet das staatliche Organ, dessen Mitarbeiter den
Schaden verursacht hat.
(2) Voraussetzungen und Verfahren der Staatshaftung werden durch Gesetz
geregelt.
[Gliederung]
Artikel 105
Die Verfassung ist unmittelbar geltendes Recht.
Artikel 106
Die Verfassung kann nur von der Volkskammer der Deutschen Demokratischen
Republik durch Gesetz geändert werden, das den Wortlaut der Verfassung
ausdrücklich ändert oder ergänzt.
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