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"Dass es für
Deutschland nicht mehr um die geträumte Freiheit und nationales Einheit sich
stritt, hatten die Verhandlungen des Wiener Kongresses verraten. Nur nicht uns
sechzehn- und siebzehnjährigen Jünglingen. Wir träumten noch, wir waren noch
berauscht; noch fühlte man nichts von Nachwehen. Die begeisterten Reden unserer
Lehrer, die Nachklänge der Fichte-, Schleiermacher-, Arndtschen
wissenschaftlichen Kriegsberedsamkeit, von den Kathedern hallend, Körners und
Schenkendorfs Lieder, die Erzählungen der älteren Jünglinge, die 1813 und
1814 mit geblutet und mit gesiegt, alles das hielt den Rausch lebendig. [...]
Die Ideen des Turnertums waren mächtig, auch außerhalb der Hasenheide. Der
Plumpsack, der dort jedem, welcher durch ein Fremdwort die deutsche Sprache
entweihte, drei Streiche versetzte, ging auch moralisch in der jungen
Gesellschaft um. Jahns Deutschtümlichkeit war uns kein Phantom, sondern eine
Wahrheit und wir hofften noch zuversichtlich auf die Realisierung unserer Ideen
von einem deutschen Volkstume, wenn wir auch über das Wie? weder mit anderen
noch mit uns im reinen waren.
Dennoch war auch
schon da in die preußische Jugend ein Missklang eingedrungen. Ganz war es
uns nicht entgangen, dass die Diplomatie der Nationalbegeisterung ein
Schnippchen geschlagen hatte und dass andere das ernten wollten, was das Volk
durch Opfer und Tapferkeit errungen hatte. Aber wir bewegten uns noch in einem
engen Formelkreise. Die gespenstischen Wörter: Aristokratie, Burokratie und
Hierarchie, die uns seitdem erschreckten, lagen damals außerhalb desselben, und
das Wort Tyrannei, das gründlich gehassteste, kannten wir zwar, aber wir waren
viel zu loyal, um es auf andere anzuwenden als auf den Franzosenkaiser Napoleon.
Unsere natürliche Freiheitsliebe war mit dem Franzosenhass identifiziert. In
den Intrigen, die auf dem Wiener Kongress spielten, sahen wir nichts als eine Rückkehr
zu der alten französischen Diplomatie, der wir nicht sowohl ihre Tendenzen als
ihre unvolkstümlichen Formen vorwarfen. Mit höchster Entrüstung betrachteten
wir Deutsche es namentlich, dass so viel deutsches Blut auf deutscher Erde
geflossen war, und doch wurde der Friede in französischer Sprache geschlossen.
So viele der wunderbarsten Begriffe von Volkstum hatten wir uns eingepfropft -
zu denen aber Fürsten, Könige und womöglich auch ein Kaiser gehörten, und
doch verhandelte und handelte man nicht aus einem Volksrat heraus oder offen königlich
für das Volk, sondern aus Kabinetten zu den Kabinetten, heimlich, schriftlich
und in französischer Sprache! Wie passte das zu den herrlichen, körnigen
Aufrufen an das Volk, zu den Proklamationen, die immer an Karl und Wittekind
gemahnt hatten.
Quelle: Alexis,
W. (1991) - Eine Jugend in Preußen. Berlin, S.64f
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