Vom römischen Alltag im Jahre Null

 

 

Autor: Ulrich Zwack Bayerischer Rundfunk

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Spurensuche

Die üblichen Vorstellungen vom römischen Alltag schwanken zwischen zwei Extremen: Hier das luxuriöse Leben der Angehörigen der Oberschicht. Notorische Müßiggänger allesamt und stinkreiche, dekadente Sklaventreiber, die den ganzen Tag nichts anderes zu tun gehabt haben, als zu schlemmen, zu saufen und herumzuhuren. Dort ein arbeitsloses Lumpenproletariat, dumpf und narkotisiert von den beiden (kostenlos verabreichten) Drogen "Brot und Spiele". Beide Extreme hat es gegeben, der überwiegende Teil der Stadtrömer  lebte jedoch weitaus weniger spektakulär. Der Alltag dieser "Normalbürger" wird in der Sendung dargestellt.

 

Die meist von Mitgliedern der Oberschicht verfasste Literatur beschäftigte sich damit natürlich kaum. Dafür vermag die Archäologie den Durchschnittsalltag weitgehend zu rekonstruieren.

Pompeji z.B. stellt geradezu ein Freiluftmuseum für das römische Alltagsleben dar, weil die Asche des Vesuvausbruchs vom Jahr 79 einfach alles konserviert hat: Von ganzen Wohnanlagen, Gebrauchs- und Einrichtungsgegenstände, bis hin zu kompletten Läden, Kneipen, Bordellen, Graffitis, ja sogar Lebensmitteln. Trotzdem kann auch Pompeji nur bedingt als repräsentativ gelten: Es war eine ziemlich vornehme Provinzstadt und beliebte Sommerfrische der stadtrömischen Prominenz. Aber andere Ausgrabungsstätten, wie das ebenfalls vorzüglich erhaltene, weitaus urbanere Ostia, vermögen das in Pompeji gewonnene Bild zu vervollständigen.

 

Zur Wohnsituation

Um die Zeit von Christi Geburt zählte Rom rund eine Million Einwohner. Die meisten davon lebten weder in schicken Villen noch in mondänen Palästen, sondern in Mietskasernen, den sogenannten Insulae. Das waren riesige, mindestens drei- oder viergeschossige  Wohnblocks.  Einige der älteren Insulae besaßen sogar zehn Etagen. Aber Kaiser Augustus begrenzte die erlaubte Bauhöhe wegen der Brandgefahr auf 21m, so dass zu seiner Zeit "nur" noch bis zu siebenstöckige Mietshäuser errichtet wurden. Insulae wurden nach ihren Besitzern genannt und waren beliebte Spekulationsobjekte. Die Bausubstanz ließ aus Gründen der Kostenersparnis oft zu wünschen übrig, Einstürze waren deshalb häufig. Das stadtrömische Mietniveau war im Vergleich zur Provinz horrend. Vergeblich versuchten die Kaiser immer wieder gegen den Mietwucher vorzugehen.

 

Ausstattung wie sozialer Status der Mieter wiesen in vielen Insulae ein erhebliches Gefälle auf: In den beiden unteren Stockwerken lebten oft "bessere" Leute in großzügigen  Mehrzimmerwohnungen. Unter dem Dach bewohnten dagegen arme Familien ein winziges Loch.

Die Einrichtung der Wohnungen beschränkte sich im Allgemeinen aufs Notwendigste: ein paar Betten, Regale, Truhen, Stühle, Tisch. Schränke waren unbekannt.  Die griechische Sitte, beim Essen zu liegen, hatten nur die Reichen übernommen. Geheizt wie gekocht wurde mittels eiserner Holzkohlebecken.

Wenn überhaupt, besaßen die Insulae lediglich Gemeinschaftstoiletten im Parterre, wo auch der Brunnen stand, aus dem die Mieter der oberen Etagen ihr Wasser schöpfen mussten, weil der niedrige Leitungsdruck dort keinen eigenen Wasseranschluss erlaubte. Wo Gemeinschaftstoiletten fehlten, war man auf öffentliche Bedürfnisanstalten angewiesen, die jedoch nicht nur der Verrichtung der Notdurft dienten, sondern auch als beliebter Treffpunkt galten. Die bis heute gängige Redewendung vom kleinen oder großen "Geschäft" besaß damals also einen ganz konkreten Hintergrund.

 

Essen und Trinken

Der Speiseplan war äußerst bescheiden. Zum Frühstück gab es mit Wasser angerührten Getreidebrei (Puls genannt), Oliven, Käse, manchmal auch ein Ei. Brot konnte man sich in der Bäckerei besorgen, war aber für viele zu teuer. Mittags gönnte man sich lediglich einen kleinen Zwischenimbiss, der häufig aus den Resten vom Vortag  bestand. Die Hauptmahlzeit wurde gegen vier Uhr nachmittags eingenommen. Die Basis bildete wieder Puls. Angereichert wurde sie mit Salzfisch oder Hülsenfrüchten,  Zwiebeln, Knoblauch  und Saisongemüsen, die oft als Rohkostsalat genossen wurden. Fleisch sahen die meisten Römer nur an Feiertagen. Wegen der unzureichenden Kochgelegenheiten besorgten sich viele Mieter die Mahlzeiten auch aus einer der unzähligen, spottbilligen Garküchen, die neben  allerlei Läden, Werkstätten und Schankwirtschaften in den zur Straße hin offenen Arkaden im Erdgeschoss der Insulae untergebracht waren.

 

An Getränken standen zwar auch Wasser, Milch, Molke, Saft und Most zur Verfügung, das Hauptgetränk bildete aber  zu jeder Tageszeit mit Wasser verdünnter und allerlei seltsamen Zusätzen, wie Sirup, Honig, Gips, Asche oder Terpentin, verpanschter Wein. Diese Zusätze sollten zum einen die Haltbarkeit erhöhen und zum anderen den oft unerträglich hohen Säuregrad überspielen. Puristen wie der Agrarschriftsteller Columella standen selbst in der Oberschicht mit einer Ansicht, wie  der folgenden, ziemlich allein: "Jede Weinsorte, die ohne Zusatz haltbar ist, halte ich für die beste und ich meine, dass man ihr gar nichts beimischen soll, wodurch ihr natürlicher Geschmack verändert werden könnte." Im Winter wurde der Wein auch gerne als Glühwein genossen.

 

Das römische Schulwesen

Öffentliche Schulen waren unbekannt. Die meisten Kinder besuchten, sobald sie sieben Jahre alt geworden waren, eine der billigen, privaten Elementarschulen, die in angemieteten Laden- oder Wohnräumen untergebracht waren. Dort lernte man unter häufigem Rohrstockeinsatz drei bis sieben Jahre lang lesen, schreiben und rechnen. Analphabetismus gab es deshalb kaum. Der Besuch von weiterführenden Schulen oder gar Universitäten – und damit der Erwerb einer umfassenden Allgemeinbildung - war dagegen lediglich für Reiche erschwinglich. 

 

Arbeiten im antiken Rom

Rund 200.000 Römer erhielten jeden Monat eine staatliche kostenlose Getreidezuwendung. Davon allein konnten sie aber nicht leben, sondern sie mussten zusätzlich arbeiten. Bei den meisten dieser frühen "Sozialhilfe-Empfänger" handelte es sich um ungelernte Kräfte, die als Tagelöhner überwiegend  in schlecht bezahlten Hilfsarbeiter-Jobs tätig waren, wie sie  vor allem im Baugewerbe, in Warenlagern, Rüstungsschmieden oder im Hafen von Ostia angeboten wurden.

Gelernte Handwerker, Fachkräfte und Dienstleister hatten dagegen ein wesentlich besseres Auskommen. Viele besaßen eigene Werkstätten, Läden, Gastwirtschaften und Büros, andere arbeiteten als Angestellte in Großbetrieben.

 

Gelernt wie gearbeitet wurde in der Stadt meist vom frühen Morgen bis in die Mittagsstunden. Das freie Wochenende war ebenso unbekannt wie bezahlter Urlaub. Dafür gab es im Jahr ca. 130 religiöse und öffentliche Feiertage, was in etwa der Zahl unserer Wochenenden, Feier- und Urlaubstage entspricht.

 

Sklaverei im Alten Rom

Allzu übertriebene Vorstellungen darf man sich davon nicht machen: Nur Reiche besaßen so viele Sklaven, dass sie selbst keinen Finger rühren mussten. Über die Hälfte aller Freien konnte sich überhaupt keine Sklaven leisten. Der Rest hatte einen oder zwei Sklaven, die in Haushalt, Laden oder Werkstatt mit zur Hand gingen. Solche Haussklaven wurden in der Regel einigermaßen gut behandelt. Sie besaßen Familienanschluss und erhielten für ihre Tätigkeit oft einen kleinen Lohn – den viele ansparten, um sich eines Tages von ihren Besitzern freikaufen zu können.

 

Freizeit und Unterhaltung

Obwohl oft mehrere Festtage aufeinander trafen, kamen die meisten Römer Zeit ihres Lebens nie aus der Stadt heraus. So stellten an den Feiertagen veranstaltete Gladiatorengemetzel, Wagenrennen und (häufig pornografische) Theateraufführungen für sie schon das höchste an Freizeitvergnügen dar.

Ein alltägliches Freizeitvergnügen nach Schule, Arbeit und Haushalt bildete demgegenüber der Thermenbesuch. Zwar diente er vor allem der Körperpflege, auf die die Römer beiderlei Geschlechts größten Wert legten. Daneben konnte man in den gut ausgestatteten Anlagen aber auch schwimmen und Sport treiben. Soziale Kontakte spielten eine viel wichtigere Rolle als heute. Deshalb machte man nach der Hauptmahlzeit gerne Besuche oder wurde besucht. Viele Männer gingen auch auf ein Gläschen Wein und eine Würfelpartie in die nächste Schankwirtschaft.

 

Verkehrsverhältnisse

Da das eigentliche Stadtgebiet relativ klein war, öffentliche Verkehrsmittel unbekannt waren und die meisten Wege zu Fuß zurückgelegt werden mussten, lebten die eine Million Römer auf recht engem Raum zusammen. Vorstädte im heutigen Sinn gab es nicht. Dementsprechend groß war das Gedränge in den Straßen, die außer von Passanten auch noch von den Ständen fliegender Händler, den Tischen der Wirtschaften und unzähligen Tragtieren verstopft waren. Um den drohenden Verkehrskollaps abzuwenden, hatte Julius Caesar ein allgemeines Tagfahrverbot für Fuhrwerke erlassen. Nur Baufahrzeuge bildeten eine Ausnahme. Bei Dunkelheit war das Fahrverbot jedoch aufgehoben. Deshalb kam die brodelnde Metropole auch in der Nacht nicht zur Ruhe. Denn jetzt holperten außer den Privat- und innerstädtischen Fahrzeugen auch die Fernverkehrs-Lastfuhrwerke übers Pflaster, die den Nabel der Welt mit Waren aus allen vier Himmelsrichtungen belieferten. Immer wieder kam es zu langen Staus. Und die Flüche und das Peitschenknallen der Kutscher mischten sich mit dem lauten Krakeelen betrunkener Nachtschwärmer oder den Hilferufen der Opfer von brutalen Raubüberfällen.

 

Dicke Luft über Rom

Die Luft war im alten Rom buchstäblich atemberaubend: Über der Stadt lag – vor allem bei Windstille - eine regelrechte Smog-Glocke, hervorgerufen durch die unzähligen Kohlefeuer in den Haushalten und  Großmanufakturen, (vor allem  der Eisen verarbeitenden Gewerbe). Hinzu kam der Gestank aus Abdeckereien, Färbereien, Gerbereien oder Tuchwalkereien und der zur Leichenverbrennung errichteten Scheiterhaufen. Viele Römer litten an einer chronischen Bleivergiftung, die durch Blei beschichtetes Kochgeschirr, bleierne Wasserleitungsrohre und bleihaltige Kosmetika bedingt war. Ständige Abgeschlagenheit, gestörtes Allgemeinbefinden und Gesichtsblässe galten als typische Erkennungszeichen des Stadtrömers. Wer es sich leisten konnte, floh wenigstens im Sommer regelmäßig aufs Land, um sich zu erholen. Eine Sitte, über die Martial allerdings nur spotten konnte: "Doch die Farbe, die dir die Reise verliehen, wird dir Rom schnell wieder rauben, magst du auch mit einem so schwarzen Gesicht zurückkehren, wie die Leute vom Nil."

Wegen der schlechten Umweltbedingungen lag die durchschnittliche Lebenserwartung eines Hauptstädters vermutlich rund zehn Jahre unter der eines italienischen Kleinstadt- oder Landbewohners.

   

© Bayerischer Rundfunk 2001

Die Religion der Römer - Frömmigkeit der Römer

Im Gegensatz zu den offiziellen Staatsgöttern, die in prunkvollen Tempeln verehrt wurden, verehrte man die Hausgötter an kleinen Altären zu Hause. Nach römischem Glauben wurde jedes Haus von den Numina, den Hausgeistern, bewohnt. Dazu zählten die Penates, die Lares und die Manes. Zusaetzlich verehrte jede Familie ihren persönlichen Schutzgott, den Genius. Die Numina waren für bestimmte Bereiche zuständig: Vesta war die Göttin des Herdes (bzw. Herdfeuers) und Janus der Gott des Hauseingangs, die Penates bewachten die Vorräte und die Lares schützten den gesamten Haushalt. Versorbene Angehoerige wurden ebenfalls am Altar geehrt. Man brachte ihnen Opfer, wie z.B. Brot und Wein, um sie zu besänftigen, damit es ihnen an nichts fehlte und sie nicht die Hinterbliebenen plagten. Der Altar wurde zur Erinnerung an jene mit deren Totenmasken geschmückt. In jedem Haushalt gab es ein Lararium, einen Altar, an dem die Laren verehrt wurden.

Die großen und wichtigen Götter der Römer wurde von diesen denen der Griechen gleichsetzt. Dies war die Grundlage der römischen Staatsreligion. Obwohl dadurch eine offizielle Religion festgelegt wurde, konnten alle Römer auch andere Götter verehren und ihnen Opfer bringen. Sie mussten auch nicht alle Götter anbeten, solange sie die anderen offiziellen nicht verachteten. Die Römer glaubten, dass jeder Gott für irgendetwas hilfreich ist.  Jedem Gott wurde ein spezieller Bereich des Lebens zugeordnet. Mars war der Gott des Krieges, Apollo der Gott der Heilkunst und der schönen Künste. Neptun war der Gott des Meeres und  Merkur war zuständig für die Händler. Die Staatsgötter wurden offiziell und in genau festgelegten Ritualen und Feiern verehrt. Viele Römer glaubten daher unter dem Schutz einer bestimmten Gottheit zu stehen. 
Im wachsenden Römerreich lernten die Menschen aber auch von einer Vielzahl von anderen, fremden Göttern kennen. So wurden Baal, Jahwe, Mithras auch verehrt. Mithras, ein persischer Gott, der angeblich mit dem Blut eines, von ihm erlegten Stieres die wüste Erde fruchtbar machte, war ab 50 weit verbreitet. Dieser Mithraskult war die Hauptkonkurrenzreligion für das Christentum. Sie hatte weit mehr Anhänger als das Christentum. Den Sieg  der Christen ab 300 feierten diese, indem sie Kirchen über Mithrasheiligtümern errichteten.

Nach der frühen Kaiserzeit wurde der Kaiser als Gott und als Oberhaupt der Staatsreligion verehrt. Wer sich dieser neuen Ordnung widersetzte, also den Kaiser nicht verehrte, indem er ihm opferte, musste mit der Todesstrafe rechnen, die auch fast immer verhängt wurde. Dadurch wurde den Römern also ihre Religionsfreiheit eingeschränkt.
Da es unter anderem den Christen und den Juden von ihrem Glauben verboten war, weltliche Herrscher anzubeten, waren sie die ersten Opfer der neuen Staatsreligion. Viele von ihnen wurden öffentlich hingerichtet oder den wilden Tieren in der Arena vorgeworfen, ihre Gottesdienste verboten. So wurden sie Märtyrer. Die Toten wurden wie in Rom üblich, außerhalb der Stadtmauer beigesetzt. Später entstanden über diesen römischen Friedhöfen (unterirdische Schachtfriedhöfe = Katakomben) Kirchen, da man die Toten im Mittelalter alle für Märtyrer hielt. So entstand auch über einem Grab, das man für das des Petrus hielt, eine erste St. Peter-Kirche. 

Im Jahr 312 wurden die Christen allen anderen Religionen gleichgestellt. Kaiser Konstantin ließ sich als erster Kaiser am Sterbebett taufen. Kaiser Theodosius machte das Christentum zur Staatsreligion, die nun ihrerseits alle anderen Religionen unterdrückte, verfolgte und auslöschte. So zerstörten die Christen die heidnischen Tempel, die Bibliotheken (zerstörten damit auch die philosophischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse der Antike) und erzwangen von allen Römern im Staatsdienst den Übertritt zum Christentum. Aus einer Religion für Unterdrückte wurde eine Religion der Unterdrückung. Als ab 640 sich der Islam ausbreitete, wurde dieser als tolerante Befreiungsreligion gegenüber der Unterdrückungsreligion der Christen aus Konstantinopel empfunden.

Feiertage der Römer