Münchner Ministerpräsidentenkonferenz

Datum: 6. Juni 1947 Bayerns Regierungschef Hans Ehard eröffnet die Münchner Ministerpräsidentenkonferenz mit einem Bekenntnis zur deutschen Einheit. Versuche, die noch in einem Münchner Hotel befindlichen Sowjetzonenpolitiker zu einer Rückkehr in den Konferenzsaal zu bewegen, scheitern. 

Im Vorfeld der Münchner Ministerpräsidentenkonferenz hatte Kurt Schumacher unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor dem SPD-Parteivorstand und anderen Spitzenpolitikern seiner Partei bereits die Feststellung getroffen:

"Die Prosperität der Westzonen ... kann den Westen zum ökonomischen Magneten machen. Es ist realpolitisch vom deutschen Gesichtspunkt aus kein anderer Weg zur Erringung der deutschen Einheit möglich, als diese ökonomische Magnetisierung des Westens, die ihre Anziehungskraft auf den Osten so stark ausüben muss, dass auf die Dauer die bloße Innehabung des Machtapparates dagegen kein sicheres Mittel ist. Es ist gewiss ein schwerer und vermutlich langer Weg..." (Kurt Schumacher, 31. 5. 1947; Wortlaut in: Acht Jahre Sozialdemokratischer Kampf um Einheit, Frieden und Freiheit. Ein dokumentarischer Nachweis der gesamtdeutschen Haltung der Sozialdemokratie und ihrer Initiativen, hg. vom Vorstand der SPD, Bonn 1953, S. 26)

Dieses politische Konzept, besser gesagt: Diese Formel, die Pragmatismus und Wunschdenken im Kalten Krieg unter einen Hut bringen sollte, beherrschte als "Magnet-Theorie" lange Jahre die politische Diskussion und half auch, den späteren Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik zu untermauern.

Noch stärker an den Realitäten orientiert und sehr frühzeitig auf Abgrenzung bedacht, hatte Konrad Adenauer schon im August 1946 in einem Referat auf einer Tagung des Zonenausschusses der CDU der britischen Zone für einen Zusammenschluss der drei Westzonen votiert:

"Für uns bedarf es wohl keiner Erörterung, dass es sehr wünschenswert ist, wenn nun Russland den eisernen Vorhang nicht hochzieht und wir infolgedessen kein einheitliches Wirtschaftsleben in ganz Deutschland haben können, wir dann als zweitbeste Lösung das einheitliche Wirtschaftsleben in den drei nicht von Russland besetzten Zonen möglichst bald verlangen müssen und dabei auch der Hoffnung Ausdruck geben dürfen, dass England, Frankreich und Amerika dann nun auch, wenn sie diesen entschiedenen Schritt gegenüber Russland getan haben, nun auch nicht zögern werden, das Wirtschaftsleben in diesen drei westlichen Zonen wirklich zur Entfaltung kommen zu lassen." (Wortlaut in: Konrad Adenauer und die CDU der britischen Besatzungszone 1946-1949. Dokumente zur Gründungsgeschichte der CDU Deutschlands, bearb. von Helmuth Pütz, Bonn 1975, S. 171)

Am 6. Juni sollte die legendäre Münchner Ministerpräsidenten-Konferenz stattfinden. Hier zeigte sich, wie weit

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Erklärung der Ministerpräsidenten 

Ost- und Westdeutschland schon voneinander entfernt waren und wie sehr sich die deutschen Politiker in die Verhältnisse des Kalten Kriegs bereits eingelebt hatten. Die Tagesordnung des Treffens war das Politikum, um das gestritten wurde, seit der bayerische Ministerpräsident Hans Ehard am 7. Mai 1947 die Länderchefs aus allen vier Besatzungszonen nach München eingeladen hatte.

"Gegenstand der Konferenz", hieß es in Ehards Einladungstelegramm, solle "die Beratung von Maßnahmen sein, die von den verantwortlichen Ministerpräsidenten den alliierten Militärregierungen in Vorlage gebracht werden sollen, um ein weiteres Abgleiten des deutschen Volkes in ein rettungsloses wirtschaftliches und politisches Chaos zu verhindern". (Einladung zur Münchner Konferenz, 7. 5. 1947, in: Akten zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, hg. von Bundesarchiv und Institut für Zeitgeschichte, Band 2, München 1979, S. 424 f).

 

Gemeint hatte man damit in der bayerischen Staatskanzlei nicht die Wiederherstellung des deutschen Nationalstaats, die Münchner Ministerpräsidentenkonferenz war vielmehr als erste Veranstaltung eines Gremiums gedacht, das die künftige bundesstaatliche Organisation Deutschlands beraten und garantieren sollte.

Die Amerikaner und Briten hatten keine Einwände gegen den Plan der Münchner Konferenz erhoben, der französische Militärgouverneur hatte die Erlaubnis zur Teilnahme der Regierungschefs der Länder seiner Zone jedoch davon abhängig gemacht, dass keine politischen Themen erörtert würden, dass sich die Debatte vielmehr auf wirtschaftliche Angelegenheiten beschränken würde. Die Ministerpräsidenten der britischen Zone hatten von sich aus in einer Vorbesprechung Ende Mai beschlossen, keine rein politischen Themen auf der Konferenz zu erörtern, sicherlich nicht nur deshalb, weil die Probleme der Ernährung, der Unterbringung der Flüchtlinge, des Wiederaufbaus ihnen auf den Nägeln brannten, sondern auch der Konsens- und Kompromissfähigkeit halber, um die soeben verkündete Reform der Bizonen-Organisation nicht zu gefährden.

Amerikaner und Briten hatten nämlich durch die Bildung gemeinsamer politischer Institutionen für die beiden Zonen mit dem Wirtschaftsrat in Frankfurt als Parlament die Weichen bereits in Richtung einer neuen Staatlichkeit gestellt, und auf diese Entwicklung setzte man Hoffnungen. Zu den Hoffnungen gehörte nicht zuletzt der Anschluss der französischen Besatzungszone an das bizonale "Vereinigte Wirtschaftsgebiet". Es galt also, die Franzosen nicht zu verprellen, damit sie den deutschen Politikern in ihrer Zone ein bisschen Spielraum ließen, und das hieß: Keine politische Debatte in München.

              

Diese Beschränkung und Bescheidung im Konferenzprogramm bedeutete fast zwangsläufig die Ausgrenzung der Vertreter der Ostzone schon im Vorfeld der Veranstaltung. Diese wiederum hatten mit der Antwort auf die Einladung nach München lange auf sich warten lassen, aber schon bei den Sondierungen, die Mitte Mai stattfanden, zu erkennen gegeben, dass man ganz andere Vorstellungen über die geplante Konferenz hatte.

Den föderalistischen Bestrebungen standen SED und Sowjetische Militäradministration misstrauisch gegenüber, umgekehrt stieß ihr Vorschlag, den Teilnehmerkreis durch Vertreter von Parteien und Gewerkschaften zu erweitern, um dem Treffen in München "die breiteste demokratische Grundlage" zu geben, im Westen auf Unverständnis und nicht weniger die Forderung, "in den Mittelpunkt der Tagesordnung die Schaffung der wirtschaftlichen und politischen Einheit Deutschlands zu stellen" und überdies "in Anbetracht des gesamtdeutschen Interesses" den Tagungsort nach Berlin zu verlegen. So hatten es die Ministerpräsidenten der Ostzone am 28. Mai 1947 ihren Kollegen Ehard wissen lassen. (Ministerpräsidenten der sowjetischen Zone an den bayerischen Ministerpräsidenten Ehard, 28. 5. 1947, in: Akten zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, hg. von Bundesarchiv und Institut für Zeitgeschichte, Band 2, München 1979, S. 455 f.)

                                     

Man sah der Begegnung mit den fünf Länderchefs der Ostzone am Abend des 5. Juni 1947 also wenig optimistisch entgegen. Carlo Schmids Erinnerung daran ist repräsentativ für die Position der Westdeutschen:

 

"Ich hatte keine Illusionen: die Unterhändler der Sowjetzone würden die Annahme ihrer volksdemokratischen Rezepte zur Bedingung einer jeden ´gesamtdeutschen Einigung´ machen. Und diese Rezepte schienen mir nach den Erfahrungen, die man in der Ostzone gemacht hatte, nicht annehmbar zu sein. Ich war von vornherein entschlossen, mich dagegenzustellen, nicht, weil ich mich durch ein Veto der französischen Militärregierung gebunden gefühlt hätte, sondern weil ich Verhandlungen allein unter den Ministerpräsidenten der Länder über das Thema ´Herstellung der deutschen Einheit´ zu diesem Zeitpunkt und in Anbetracht der Absichten der Sowjetmacht für Augenauswischerei hielt." (Carlo Schmid - Erinnerungen, Bern, München, Wien 1979, S. 286).

Bei solchen Vorgaben war keine Verständigung zu erwarten, die Vertreter der Westzonen beharrten auf ihrer Marschroute, die Kollegen aus der Ostzone verlangten unbeirrt, wohl wissend, dass dies abgelehnt werde, folgenden Hauptpunkt auf die Tagesordnung zu setzen: "Bildung einer deutschen Zentralverwaltung durch Verständigung der demokratischen Parteien und Gewerkschaften zur Schaffung eines deutschen Einheitsstaates." Sie stellten schließlich fest, wenn die westlichen Teilnehmer der Meinung seien, dass die Konferenz ohne den geforderten Punkt ein ersprießliches Ergebnis zum Wohle des deutschen Volkes haben könne, dann sähen sie sich zu ihrem Bedauern an der weiteren Teilnahme gehindert. Nach einem letzten schwachen Versuch Ehards, sie umzustimmen, verließen die fünf Ministerpräsidenten aus der Ostzone den Saal. Dem Gastgeber entfuhr der Ausruf, dies bedeute die "Spaltung Deutschlands", und eine Legende des Kalten Krieges war geboren. (Vorbesprechung der Ministerpräsidenten über die Tagesordnung der Münchner Ministerpräsidentenkonferenz, 5./6. 6. 1947, in: Akten zur Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, hg. von Bundesarchiv und Institut für Zeitgeschichte, Band 2, München 1979, S. 485ff).

Einschätzungen und Abgrenzungen, wie sie Schumacher im Mai 1947 und Adenauer schon im August 1946 (s.o.) und andere vorgenommen hatten, waren freilich noch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Es war der Vorsitzende der SPD in Bayern, Wilhelm Hoegner, der im Juli 1947 eine Erklärung abgab, die an das Publikum gerichtet war und in der er unverblümt einen Separatfrieden zwischen den Westmächten und den Westzonen propagierte:

"Die Einigung der Alliierten erfordert offensichtlich viel zu viel Zeit, als dass Deutschland in seiner heutigen ernährungspolitischen und wirtschaftlichen Lage darauf noch lange warten könnte. Infolgedessen bleibt nichts anderes übrig, als zunächst den Versuch zu einer bizonalen oder allenfalls Drei-Zonen-Regelung zu machen. Das ist der nächste Schritt, auf den die Menschen in den Westzonen mit brennender Ungeduld warten. Die wirtschaftliche Einigung müsste über kurz oder lang notwendig auch eine gewisse politische Organisation nach sich ziehen. Um alle Hemmnisse für die wirtschaftliche Entwicklung der Westzonen zu beseitigen, wäre dann wohl auch der Abschluss eines Sonderfriedens erforderlich, wenn ein allgemeiner Friede in absehbarer Zeit nicht erreicht werden kann. Das soll aber selbstverständlich keine dauernde Trennung der Ostzone nach sich ziehen; vielmehr ist zu hoffen, dass die Konsolidierung der Verhältnisse in den Westzonen zwangsläufig den Anschluss der Ostzone nach sich zieht." (Wortlaut im Nachlass Wilhelm Hoegner, Institut für Zeitgeschichte München, ED 120 ).

Entnommen: Wolfgang Benz, Die Bundesrepublik im Kalten Krieg

http://www.dhm.de/ausstellungen/kalter_krieg/benz_05.htm 

 

1. Informieren Sie sich außerdem über weitere Stellungnahmen westlicher Politiker zur Ost-West-Spaltung im Internet:

http://www.dhm.de/ausstellungen/kalter_krieg/benz_01.htm

http://www.dhm.de/ausstellungen/kalter_krieg/benz_02.htm

http://www.dhm.de/ausstellungen/kalter_krieg/benz_03.htm

http://www.dhm.de/ausstellungen/kalter_krieg/benz_04.htm

2. Beurteilen Sie die Überlegungen von Adenauer, Schumacher, Schmid und Hoegner: Welche Gründe sehen diese Politiker für eine Trennung der Westzonen von der Ostzone? Welche Rolle spielt dabei die öffentliche Meinung?

3. Erörtern Sie die Möglichkeiten einer Annäherung zwischen ostzonalen und westzonalen Ministerpräsidenten! Beziehen Sie in Ihre Argumentation die Rolle der vier Besatzungsmächte mit ein!

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Plakat des VFF 1952 (Bonn, Archiv der Sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung)